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UN-Sicherheitsrat : Zweiklassengesellschaft alten Rechts

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Außenminister Westerwelle bekräftigt das Streben nach einem ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat für die EU. Der Rat ist eine Zweiklassengesellschaft, in der nur die ständigen Ratsmitglieder China, Frankreich, Großbritannien, die Vereinigten Staaten und Russland ein Vetorecht haben.

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          Kaum war die Wahl Deutschlands zum nichtständigen Mitglied des UN-Sicherheitsrates für 2011 und 2012 am Dienstag in New York schon im ersten Wahlgang geglückt, bekräftigte Bundesaußenminister Guido Westerwelle am Mittwoch in Berlin das Streben nach einem ständigen Sitz im Rat. Und zwar nicht (mehr) für Deutschland, sondern für die EU.

          Beim letzten Anlauf Berlins im Jahr 2004, gemeinsam mit Brasilien, Indien und Japan jeweils einen eigenen ständigen Ratssitz für die vier Staaten der sogenannten G-4-Gruppe sowie für weitere Länder aus der südlichen Hemisphäre zu erkämpfen, war Deutschland nicht zuletzt am Widerstand Italiens gescheitert. Weil der ständige deutsche Sitz im Rat nicht durchzusetzen war, soll es jetzt stattdessen ein weiterer ständiger Sitz für einen EU-Staat sein, der nach dem innerhalb der EU schon bewährten Rotationsprinzip wechseln soll. Die EU-Staaten Frankreich und Großbritannien sind als Siegermächte des Zweiten Weltkrieges schon seit Gründung der UN 1945 als ständige Mitglieder im Rat vertreten, und sie werden diese privilegierte Position nicht aufgeben.

          Vetorecht für ständige Ratsmitglieder

          Der UN-Sicherheitsrat ist das wichtigste Gremium der UN, weil nur er Beschlüsse fassen kann, die für alle 192 Mitgliedstaaten bindend sind. Resolutionen der UN-Vollversammlung, wo jede Mitgliedsstimme das gleiche Gewicht und niemand ein Vetorecht hat, haben allenfalls Empfehlungscharakter. Nur der Sicherheitsrat kann völkerrechtlich bindende Sanktionen gegen einzelne Mitgliedstaaten verhängen, wenn diese den internationalen Frieden gefährden, die Stabilität in einer Weltregion untergraben oder gegen einschlägige UN-Konventionen verstoßen. Nur der Rat schließlich kann Waffengewalt androhen und die Staatengemeinschaft beziehungsweise eine Länderkoalition zur gewaltsamen Durchsetzung seiner Resolutionen ermächtigen.

          Bild: dpa

          Der UN-Sicherheitsrat ist eine Zweiklassengesellschaft, in der nur die ständigen Ratsmitglieder China, Frankreich, Großbritannien, die Vereinigten Staaten und Russland (als Rechtsnachfolger der Sowjetunion) seit Gründung der UN im Jahre 1945 als Siegermächte des Zweiten Weltkrieges fortgesetzt vertreten sind und zudem ein Vetorecht haben.

          Reform erst in Jahrzehnten?

          Die zehn nichtständigen Mitglieder werden jeweils für eine Mitgliedszeit von nur zwei Jahren von der UN-Vollversammlung mit Zweidrittelmehrheit aller Mitgliedstaaten gewählt, wobei jedes Jahr jeweils fünf Staaten aus Regionalgruppen wie Afrika, Asien und Arabische Welt, Lateinamerika und Westliche Staaten bestimmt werden; sie haben kein Vetorecht. Der Rat fasst seine maßgeblichen Resolutionen und Beschlüsse mit der Dreifünftelmehrheit von 9 der 15 Mitgliederstimmen, wobei zugleich kein ständiges Mitglied ein Veto einlegen darf.

          Fachleute glauben, dass nach dem zuletzt 2004 gescheiterten Anlauf zu einer Ratsreform erst in zwei bis drei Jahrzehnten ernsthaft wieder über eine Erweiterung der Zahl der ständigen und nichtständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates verhandelt werden kann. Dass die Zusammensetzung des Rates nicht die heutigen Machtverhältnisse in der Welt widerspiegelt, sondern nach wie vor die Kräftekonstellation der Epoche unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, ist Konsens.

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