Unruhen in Tirana : Albanische Verhältnisse
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Ein Anhänger der Opposition mit der albanischen Flagge in Tirana am vergangenen Wochenende Bild: dapd
Mit einer Eskalation des Konfliktes in Albanien war lange zu rechnen: Die Sozialisten blockieren das Parlament und Ministerpräsident Berisha weigert sich, die Vorwürfe der Wahlmanipulation untersuchen zu lassen. Die EU muss gegenüber Tirana einen härteren Ton anschlagen.
Leider haben beide recht: Ministerpräsident Sali Berisha, der die albanische Opposition beschuldigt, mit Hilfe von „Verbrechern, Banditen und Terroristen“ nach „tunesischem Drehbuch“ Unruhen zu inszenieren, und Oppositionsführer Edi Rama. Er wirft der Regierung Korruption, Amtsmissbrauch und die Manipulation der Ergebnisse der Parlamentswahl vom Juni 2009 vor. Mit einer Eskalation des Konfliktes in Albanien war lange zu rechnen.
Seit eineinhalb Jahren boykottieren die Sozialisten das Parlament und mobilisieren ihre Anhänger auf der Straße. Berisha wiederum weigert sich, die Vorwürfe der Wahlmanipulation untersuchen zu lassen. Hinzu kam die Korruptionsaffäre um den stellvertretenden Ministerpräsidenten Ilir Meta - einen Überläufer aus dem sozialistischen Lager, der Berisha die Regierungsbildung ermöglicht hatte. Sein Rücktritt und eine Regierungsumbildung konnten die Opposition nicht besänftigen.
Am Freitag wurden in Tirana drei Demonstranten erschossen, Dutzende weitere zum Teil schwer verletzt. Doch wer die Schüsse abgab, ist unklar. Wollte die Regierung ein Exempel statuieren? Oder wollten Provokateure aus den Reihen der Sozialisten Blut fließen lassen, damit sich die Kluft zwischen Regierung und Opposition nicht mehr überbrücken lässt? Beide Hypothesen klingen plausibel.
In der Nacht auf Samstag zogen Polizisten und Nationalgardisten durch die Stadt und verprügelten Studenten und andere, die sie für Oppositionelle halten. Zuletzt hatte es vergleichbare Ausschreitungen in Albanien 1998 gegeben - damals waren es Berishas Demokraten gewesen, die gegen das korrupte Regime der Sozialisten protestierten. Statt das Land in die EU zu führen, stoßen es Sozialisten und Demokraten zurück in das Chaos der neunziger Jahre. Es ist höchste Zeit, dass in der EU gegenüber Tirana ein härterer Ton angeschlagen wird.