Ukraine-Liveblog : Klingbeil rechnet nicht mehr mit atomarer Eskalation von Ukraine-Krieg
- Aktualisiert am
SPD-Bundesvorsitzender Klingbeil bei einer Pressekonferenz im Willy-Brandt-Haus (Symbolbild) Bild: dpa
London: Russland ändert seine Militärtaktik +++ Raketen auf Dnipro in der Nacht +++ Ukraine: Rund 200 russische Artillerieschläge täglich +++ alle Entwicklungen im Liveblog.
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Simon Hüsgen
Der ukrainische Vize-Außenminister Andrij Melnyk hat die Exportgenehmigung der Bundesregierung für Leopard-1-Kampfpanzer zwar begrüßt, gleichzeitig aber den späten Zeitpunkt kritisiert. Das Düsseldorfer Unternehmen Rheinmetall habe bereits im April angeboten, 88 Leopard 1A5 in die Ukraine zu liefern, sagte der frühere ukrainische Botschafter der Deutschen Presse-Agentur. „Leider wurde zu viel wertvolle Zeit vergeudet, um die schwierige Situation an der Front zugunsten der Ukraine viel schneller zu wenden.“
Nun komme es auf jeden einzelnen Tag an. Die Instandsetzung und die Ausbildung könnten aber viele Monate dauern. „Auch beim Thema Munition gibt es leider Schwierigkeiten“, sagte Melnyk.
„Wir rufen die Bundesregierung, ganz persönlich Verteidigungsminister Boris Pistorius auf, nach dem Leo-Tabu-Bruch wirklich Gas zu geben und neue Waffenlieferungen ohne Verzögerung auf den Weg zu bringen“, forderte der Vize-Außenminister. Er verlangte auch abermals Tornado-Kampfjets, Kriegsschiffe und U-Boote für die Ukraine. „Es sollte keine neuen roten Linien mehr geben, um die Ukraine in ihrem Überlebenskampf mit allen in Deutschland verfügbaren Waffen zu unterstützen.“
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Ninve Ermagan
"Wir haben den ehrgeizigen Plan, der Europäischen Union innerhalb der nächsten beiden Jahre beizutreten", sagte der ukrainische Regierungschef Denys Schmyhal zu Wochenbeginn der Plattform „Politico". Präsident Wolodymyr Selenskyj drängte die EU anlässlich des Gipfeltreffens in Kiew am Freitag, bis zum Jahresende formelle Beitrittsverhandlungen zu eröffnen, mit denen die eigentliche Arbeit beginnt. Dies habe die Ukraine „verdient", sagte er.
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Ninve Ermagan
Die Ukraine wird die umkämpfte Kleinstadt Bachmut im Osten des Landes nach den Worten von Präsident Wolodymyr Selenskyj nicht aufgeben. „Wir werden solange kämpfen, wie wir können“, betonte Selenskyj am Freitag zum Abschluss eines Ukraine-Gipfels in Kiew. Bachmut sei eine „Festung“. Selenskyj forderte vom Westen erneut mehr Waffen, um Russlands Angriffe abzuwehren. „Je weitreichendere Raketen wir haben, je besser unsere Artillerie ausgerüstet ist, desto schneller endet die Aggression Russlands und umso garantierter wird der Schutz der europäischen Sicherheit und Freiheit.“
„Wenn es schnellere Waffenlieferungen und dabei weitreichende Waffen gibt, dann werden wir nicht nur nicht von Bachmut zurückweichen, sondern auch mit der Befreiung des seit 2014 besetzten Donbass beginnen“, kündigte der 45-Jährige an. Kiew wisse genau, was dafür benötigt werde. Russische Truppen versuchen seit Monaten, die Kleinstadt im Donezker Gebiet, die vor dem Krieg etwa 70.000 Einwohner hatte, zu erobern. Seit Jahresbeginn gelang es dem russischen Militär, nördlich und südlich von Bachmut vorzurücken.
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Ninve Ermagan
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen sieht keinen starren Zeitplan für eine EU-Mitgliedschaft der Ukraine. Die Politikerin erinnert bei einer Pressekonferenz anlässlich ihres Besuchs in Kiew daran, dass die Ukraine für einen Beitritt verschiedene Ziele erfüllen müsse.
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Ninve Ermagan
Die Europäische Union hat der Ukraine angesichts der anhaltenden russischen Angriffe versichert, unerschütterlich an ihrer Seite zu stehen. „Die EU wird Sie so lange wie nötig auf jede erdenkliche Weise unterstützen", versprach Ratspräsident Charles Michel am Freitag zum Abschluss eines EU-Ukraine-Gipfels in Kiew. Die Zukunft der Ukraine liege in der Europäischen Union, betonte der Belgier. Die EU und die Ukraine seien eine Familie. „Ihr Schicksal ist unser Schicksal." Die EU werde den Druck auf Russland erhöhen, damit das Land den Krieg beende.
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Ninve Ermagan
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj fordert Sanktionen der Europäischen Union, die sicherstellen sollen, dass Russland seine militärischen Kapazitäten nicht wieder aufbauen kann. Selenskyj äußert sich bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident Charles Michel.
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Natalia Wenzel-Warkentin
Die Ukraine ermittelt wegen Kriegsverbrechen gegen den Chef der russischen Söldnergruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin. Der Wagner-Chef sei gemäß ukrainischem Strafrecht darüber informiert worden, teilt der ukrainische Generalstaatsanwalt Andrij Kostin mit. "Der Leiter dieser Gruppe ist unmittelbar verantwortlich für Tausende Kriegsverbrechen. Er räumt seine Rolle in dem Krieg gegen die Ukraine öffentlich ein und löst mit Erlaubnis des Kreml Personalprobleme mit der Rekrutierung Tausender Häftlinge."
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Natalia Wenzel-Warkentin
Der Chef der Olympischen Spiele 2024 in Paris, Tony Estanguet, sieht das Internationale Olympische Komitee (IOC) bei der Frage einer Teilnahme russischer Athleten in der Pflicht. Es sei nicht Aufgabe seiner Organisation zu entscheiden, wer teilnehmen dürfe, sagt Estanguet der Nachrichtenagentur Reuters. Er selbst befürworte, das "Symbol der Universalität der Spiele" zu erhalten. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat einen Ausschluss der russischen Athleten gefordert, um nicht das Signal zu senden, dass "Terror irgendwie akzeptabel" sei. Die Spiele in Paris finden vom 26. Juli bis zum 11. August 2024 statt, die Paralympischen Spiele vom 28. August bis 08. September.
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Philipp Johannßen
Die NATO wirft Russland einen Bruch des atomaren Abrüstungsvertrags New Start vor. Die Weigerung Russlands, Inspektionen der USA auf seinem Hoheitsgebiet zu ermöglichen, untergrabe die Zukunft des Vertrags, hieß es in einer am Freitag veröffentlichten Erklärung der 30 Bündnisstaaten. Das gelte auch für die Weigerung des Landes, innerhalb der vertraglich festgelegten Frist eine Sitzung der bilateralen Beratungskommission einzuberufen.
Der Abrüstungsvertrag „New Start“ ist das einzige noch verbliebene große Abkommen zur Rüstungskontrolle zwischen den USA und Russland. Der Vertrag begrenzt die Atomwaffenarsenale beider Länder auf je 800 Trägersysteme und je 1550 einsatzbereite Sprengköpfe. Zudem ist geregelt, dass Washington und Moskau Informationen über ihre strategischen Atomwaffenarsenale austauschen und bis zu 18 Verifikationsbesuche pro Jahr abhalten dürfen.
Ob die fortgesetzte Nichteinhaltung des Vertrags durch Russland eine Aufkündigung des Vertrags durch die USA oder andere Reaktionen zur Folge haben könnte, geht aus der Erklärung nicht klar hervor. Die Alliierten betonen allerdings die Bedeutung des Abkommens. „Die NATO-Bündnispartner sind sich einig, dass der New-Start-Vertrag durch die Beschränkung der strategischen Nuklearstreitkräfte Russlands und der USA zur internationalen Stabilität beiträgt“, hieß es in der Erklärung. Deswegen nehme man mit Sorge zur Kenntnis, dass Russland die rechtsverbindlichen Verpflichtungen nicht erfülle. Die USA hielten sich daran. Washington hatte Russland bereits am Dienstag öffentlich Vertragsbruch vorgeworfen.
Im Februar 2021 hatten sich US-Präsident Joe Biden und Russlands Staatschef Wladimir Putin auf eine Verlängerung von „New Start“ bis 2026 geeinigt. Allerdings ist ein wichtiges Element des Vertrags, die gegenseitige Kontrolle der jeweiligen Atomwaffenarsenale, seit Sommer ausgesetzt. Russland beklagte, wegen der Sanktionen infolge des Ukrainekriegs keine Inspektionsreisen in die USA mehr machen zu können, und strich seinerseits westliche Kontrollen.
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Simon Hüsgen
Die von Russland installierte Verwaltung der Krim hat zahlreiche ukrainische Politiker und Geschäftsleute enteignet. Insgesamt hätten die Behörden nach eigenen Angaben rund 500 Immobilien auf der Halbinsel verstaatlicht, darunter auch Banken sowie Tourismus- und Sportstätten. Das Dekret richte sich gegen „Komplizen des Kiewer Regimes“, erklärt der Sprecher des Krim-Parlaments, Wladimir Konstantinow, auf Telegram. Die beschlagnahmten Immobilien gehörten unter anderem dem ehemaligen ukrainischen Ministerpräsidenten Arsenij Jazenjuk und den Geschäftsleuten Igor Kolomoisky, Rinat Achmetow und Serhij Taruta.
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Simon Hüsgen
Russland will genau ein Jahr nach Beginn seines Angriffskriegs gegen die Ukraine an der Parlamentarischen Versammlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in Wien teilnehmen. „Wir beschäftigen uns jetzt mit dem Erhalt des Visums und bereiten uns auf die Reise vor. Ich denke, alles wird normal“, sagte der Vizechef des Außenausschusses im Föderationsrat, dem russischen Oberhaus des Parlaments, Wladimir Dschabarow, am Freitag der Tageszeitung „Parlamentarskaja Gaseta“. Österreich habe versichert, allen russischen Abgeordneten ein Visum zu erteilen.
Russland hatte zuletzt 2021 an einer Sitzung der OSZE teilgenommen. Bei den letzten beiden Versammlungen verweigerten die Gastgeberländer Großbritannien und Polen der russischen Delegation die Visa. Viele russische Abgeordnete stehen wegen des von Kremlchef Wladimir Putin befohlenen Einmarsches in die Ukraine inzwischen auf westlichen Sanktionslisten. Das österreichische Außenministerium wiederum hat die Einreisegenehmigung an die Russen für die Sitzung am 23. und 24. Februar als völkerrechtliche Verpflichtung verteidigt.
Die OSZE mit Sitz in Wien ging aus der 1975 etablierten Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) hervor, die die Entspannung zwischen Ost und West voranbrachte. Ihr gehören 57 Staaten aus Europa, Nordamerika und Asien an. Sie versteht sich als größte regionale Sicherheitsorganisation und galt bis zum Ukrainekrieg als eine wichtige Plattform zwischen Ost und West.
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Rebecca Boucsein
Kurz vor Beginn des EU-Ukraine-Gipfels in Kiew ist am Freitag in der ukrainischen Hauptstadt Luftalarm ausgelöst worden. Anschließend waren im ganzen Land Alarmsirenen zu hören, wie AFP-Reporter berichteten. Bei dem Gipfel, an dem EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident Charles Michel sowie der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj teilnehmen, soll es unter anderem um den ukrainischen EU-Beitrittswunsch, den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und die weltweite Ernährungssicherheit gehen.
Ob der Luftalarm Auswirkungen auf den Gipfel hatte, blieb zunächst unklar. Zum genauen Ablauf wurden aus Sicherheitsgründen keine Angaben gemacht. Mitgeteilt wurde lediglich, dass es unter anderem eine Arbeitssitzung und eine Pressekonferenz geben sollte.
Ob der Luftalarm Auswirkungen auf den Gipfel hatte, blieb zunächst unklar. Zum genauen Ablauf wurden aus Sicherheitsgründen keine Angaben gemacht. Mitgeteilt wurde lediglich, dass es unter anderem eine Arbeitssitzung und eine Pressekonferenz geben sollte.
Die Ukraine ist seit 2022 offiziell EU-Beitrittskandidat und fordert einen schnellen Beitritt, möglichst schon innerhalb der nächsten zwei Jahre. Präsident Selenskyj hatte am Donnerstag gesagt, sein Land habe einen Beginn der Verhandlungen über einen EU-Beitritt noch in diesem Jahr „verdient“.
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Philipp Johannßen
Der AfD-Bundestagsabgeordnete Steffen Kotré hat einen Auftritt in der Talkshow des russischen TV-Propagandisten Wladimir Solowjow verteidigt. Auf Twitter schrieb er am Freitag, er gebe jedem ein Interview und würde auch mit Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sprechen, die Russland den Krieg erklärt habe. „Ich sage: trotz Krieg: Diplomatie und miteinander reden – alle Kanäle nutzen.“ Mehrere Medien hatten zuvor über das Interview berichtet.
Solowjow teilte einen Mitschnitt in seinem Telegram-Kanal. Kotré sagte in der Sendung demnach unter anderem, dass die Mehrheit der Deutschen gegen die Lieferungen schwerer Waffen an die Ukraine sei, die Medien aber alles dafür tun würden, um das Volk gegen Russland und dessen Führung einzunehmen.
AfD-Chef Tino Chrupalla bewertete den Vorgang zunächst nicht inhaltlich. „Jeder gewählte Abgeordnete entscheidet und verantwortet zu führende Interviews in erster Linie selbst“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur auf die Frage, ob der Auftritt mit ihm oder Fraktion und Partei abgesprochen gewesen sei und was er dazu sage.
Kotré werden Verbindungen zur Neonazi-Szene nachgesagt. Er zählte 2004 zu den Unterzeichnern für einen Solidaritätsaufruf für den Holocaustleugner Horst Mahler.
Kotré werden Verbindungen zur Neonazi-Szene nachgesagt. Er zählte 2004 zu den Unterzeichnern für einen Solidaritätsaufruf für den Holocaustleugner Horst Mahler.
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Philipp Johannßen
Fast ein Jahr nach dem russischen Angriff auf die Ukraine greifen ab Sonntag weitere EU-Sanktionen gegen Moskau. Schon seit Anfang Dezember darf ja kein russisches Rohöl mehr per Tanker in die EU eingeführt werden, seit Anfang Januar verzichtet Deutschland auf Importe über die Pipeline Druschba. Ab 5. Februar will die EU nun auch keine Raffinerieprodukte wie Diesel, Benzin oder Schmierstoffe mehr aus Russland abnehmen. Das soll es Präsident Wladimir Putin schwerer machen, seinen Angriffskrieg zu finanzieren. Zu erwarten sind aber auch Folgen für Deutschland.
Werden Diesel und Co. knapp, wenn nichts mehr aus Russland kommt?
„Die allgemeine Versorgungssicherheit und die Sicherheit der Versorgung mit Kraftstoffen ist gewährleistet", versichert ein Sprecher von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Auch der Mineralölverband Fuels und Energie sieht keine Versorgungslücke. Es geht vor allem um Diesel. Rund 12,5 Prozent seines Verbrauchs deckte Deutschland laut Branchenverband 2022 aus Russland – trotz des Ukrainekriegs. Ersatz komme aus den USA, Westeuropa und dem arabischen Raum, teilt Fuels und Energie mit. Benzin werde nicht aus Russland importiert. Für den Notfall gebe es eine Kraftstoffreserve für 90 Tage.
Wird Diesel an der Zapfsäule teurer?
Das ist nicht ausgeschlossen. Zwar sagt der Düsseldorfer Energieexperte Jens Südekum: „Ich glaube nicht, dass wir dramatische Preissprünge sehen werden.“ Die nächste Embargostufe sei lange angekündigt. „In den vergangenen Wochen und Monaten haben wir an den wichtigen Häfen Rotterdam, Antwerpen oder Amsterdam regelrechte Hamsterkäufe gesehen", berichtet der Ökonom. „Das heißt, man hat vor dem Embargo rangeschafft, was noch ging. Die Diesellager sind voll bis zum Anschlag. Das wird die Preisanstiege begrenzen."
Thomas Puls vom Institut der Deutschen Wirtschaft weist aber darauf hin, dass Diesel auf dem Weltmarkt knapp sei. Wenn die EU nicht mehr in Russland kaufe, müsse der Treibstoff aus entfernteren Gegenden kommen, etwa aus Saudi-Arabien. Die Kapazität der Spezialschiffe sei begrenzt, die Wege seien länger, die Transporte somit teurer.
Warum sind in Ostdeutschland die Diesel-Preise höher?
Bei der Versorgung Ostdeutschlands kommen zwei Effekte zusammen: die neue Embargostufe und die Tatsache, dass die Raffinerien in Schwedt und Leuna nicht mit voller Kapazität arbeiten. Das liegt daran, dass sie lange russisches Rohöl aus der Druschba-Pipeline bezogen und seit dem deutschen Importstopp ab Januar neue Bezugsquellen brauchen. Die PCK-Raffinerie in Schwedt war zuletzt mit Lieferungen über Rostock nur noch zu 55 Prozent ausgelastet. Sie hofft auf zusätzliche Mengen über Polen und aus Kasachstan.
Die niedrigere Produktion der beiden ostdeutschen Raffinerien mache sich regional bemerkbar, erklärt Fuels und Energie. Der Tankstellenpreis im Osten sei deshalb bei Benzin rund 2,5 Cent und bei Diesel rund 1 Cent je Liter höher als im Bundesdurchschnitt.
Wie viele Erdölprodukte importierte die EU zuletzt aus Russland?
Noch im Oktober 2022 exportierte Russland nach den jüngsten Zahlen des EU-Statistikamtes Eurostat Erdölerzeugnisse wie Diesel im Wert von mehr als 2,3 Milliarden Euro in die EU. Allein nach Deutschland gingen damals Produkte im Wert von rund 558 Millionen Euro.
Der russische Energieexperte Alexej Belogorjew bezweifelt, dass die EU diesen Lieferanten einfach so ersetzen kann. Allein an Diesel habe Russland bisher täglich 600.000 Barrel geliefert; die USA, Saudi-Arabien und Indien zusammen kämen auf 200.000 Barrel. Trotzdem erwarten Experten, dass die Sanktionen die russische Erzeugung von Erdölprodukten drücken werden – um 15 Prozent auf etwa 230 Millionen Tonnen in diesem Jahr. Ein Barrel entspricht 159 Liter.
Wird das EU-Embargo eingehalten?
Russland hat nach einer Recherche des „Economist" Wege gefunden, das Öl-Embargo zu umgehen. Demnach entwickelt sich ein Graumarkt mit eigenen Schiffs- und Versicherungskapazitäten, teils gestützt auf Garantien des russischen Staats. Gegen den internationalen Preisdeckel für Rohöl wehrte sich Putin mit der Anordnung, ab 1. Februar nicht mehr in Länder zu liefern, die ihn einhalten.
Bei der neuen Embargostufe sieht Ökonom Südekum neue Schlupflöcher: „Ein Haupteffekt des Embargos wird sein, dass russischer Diesel nicht mehr direkt in die EU gelangt, wohl aber indirekt. Russland liefert an Nationen wie Indien oder Saudi-Arabien, die das billige Öl einkaufen, in ihren Raffinerien verarbeiten und uns dann den Diesel verkaufen." Das sei nicht Sinn des Embargos. Aber selbst wenn es gelänge, diese Umgehung zu unterbinden, „dann wäre die Frage der Diesel-Preise in Europa auch sicher kritischer". Mit anderen Worten: Diese Einfuhren verhindern noch größere Knappheit in der EU.
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Philipp Johannßen
Die EU hat russisches Vermögen eingefroren, das einen Teil der Schäden decken könnte. Die EU-Kommission würde gern darauf zurückgreifen. Doch es gibt juristische Hürden.
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Quelle: FAZ.NET
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