Türkei : Erdogans Partei will die CDU der Türkei sein
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Erdogan zeigt sich als charismatischer Politiker Bild: REUTERS
Die regierende AKP soll ganz auf den Staats- und Parteichef zugeschnitten werden. Doch noch hat die Partei keine feste Form und der Ausgang der türkischen EU-Kandidatur könnte ihren Kurs beeinflussen.
Für die türkische Regierungspartei AKP ist Kizilcahaman so etwas wie Wildbad Kreuth. Gerade hatte sich der Vorhang über das absurde Theaterstück zum Ehebruch gesenkt, hatten die Abgeordneten im Eiltempo die als Jahrhundertwerk gefeierte, aber doch mit Makeln versehene Novellierung des Strafgesetzbuchs verabschiedet. Da zogen sich die 368 Volksvertreter der AKP mit ihrer Führung in die anatolische Einsamkeit zurück. Hinter verschlossenen Türen fand die Klausurtagung statt. Lärm drang dennoch nach draußen.
Einer der prominenten AKP-Abgeordneten, Ertugrul Yalcinbayir, verließ schimpfend den Nationalpark nördlich von Ankara. Denn Parteichef Recep Tayyip Erdogan hatte ihn wegen seiner Forderung nach mehr innerparteilicher Demokratie abblitzen lassen. Dann wies er dem Philosophen im Kabinett, Mehmet Aydin, die undankbare Aufgabe zu, den islamisch-traditionellen Flügel der AKP zu beruhigen. Bange Fragen waren von dort gekommen: Werde die Türkei, sollte sie einst in die EU aufgenommen werden, wirklich ihre Kultur bewahren können? Werde man die islamische Religion aufgeben müssen?
Vieles ist noch im Fluß
Aydin besänftigte schließlich die Gemüter. Man wolle sich nicht assimilieren, sondern integrieren. Ob die AKP auf der Suche nach ihrer Identität in Kizilcahamam weitergekommen ist, bleibt zunächst unklar. Noch immer hat sich für die „Partei für Entwicklung und Demokratie“ kein verbindliches Etikett durchgesetzt. Ihre Kritiker nennen sie weiterhin beharrlich eine irgendwie doch islamistische Partei. Sie selbst beansprucht, konservativ-demokratisch zu sein.
Falsch liegt nicht, wer die AKP als eine Erdogan-Partei bezeichnet. Vieles ist noch im Fluß. Erdogan und die Seinen hatten die AKP erst am 14. August 2001 gegründet. Schon im November 2002 gewann sie triumphal die Parlamentswahl, und heute hat sie in der „Großen Nationalversammlung der Türkei“ mehr Abgeordnete, als sie zur Änderung der Verfassung braucht.
Ansprüche eines Pioniers
Ömer Genckaya, der führende Parteienforscher der Türkei, mahnt zur Geduld. Noch sei es zu früh, um ein endgültiges Urteil zu fällen, sagt der Politologe von der Bilkent-Universität in Ankara. Drei bis fünf Jahre müsse man noch warten, die Partei weiter beobachten und sehen, wie sie etwa die nächsten Wahlen meistert. Noch immer sucht die AKP eine Identität, noch immer arbeitet sie an ihren Strukturen.
Angetreten war sie mit den hehren Ansprüchen eines Pioniers, der vieles in Frage stellt. Als erste Partei der Türkei hat sie ihre Finanzen offengelegt. Ihren Haushalt hat sie ins Internet gestellt. Weniger erfolgreich war sie beim Anspruch, die innerparteiliche Demokratie zu erfinden. Dabei hatte sie mit guten Vorsätzen begonnen. Die Parteispitze gab sie aber wieder auf, als die Parlamentsfraktion bei der Abstimmung am 1. März 2003 nicht dem Wunsch Erdogans gefolgt war, an der Seite Amerikas in den Irak-Krieg zu ziehen.
Noch verläßt keiner das Schiff
Da legte sie den Rückwärtsgang ein und änderte die Satzung. Um den Zusammenhalt der Partei zu bewahren, hieß es. Seither hat Erdogan auf Provinzebene zahlreiche Vorstände abgesetzt und loyale Gefolgsleute ernannt. Und so ist die AKP als „Führerpartei“ kaum mehr von den traditionellen Parteien der Türkei zu unterscheiden. Jetzt in Kizilcahamam hat die Parteispitze wieder versucht, das große Sammelbecken AKP zusammenzuhalten. Vor allem internationale Entwicklungen und der Ausgang der türkischen EU-Kandidatur werden über den Kurs der Partei bestimmen, prognostiziert Genckaya.