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Trauerfeier für Margaret Thatcher : Zwei Salutschüsse weniger als Churchill

Der britische Premierminister David Cameron während einer Sondersitzung zu Thatchers Tod Bild: Reuters

Winston Churchill war der letzte Premier, dessen Trauerfeier Königin Elisabeth besuchte. Dass der jetzt als „Iron Lady“ bekanntgewordenen Thatcher diese Ehre zuteil wird, stößt selbst einigen Konservativen übel auf.

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          Wenn am nächsten Mittwoch die Veteranen des Falklandkrieges die geschmückte Lafette von Westminster bis zur St. Paul’s Cathedral begleiten, werden Zehntausende Menschen Spalier stehen. Mehr als 2000 geladene Gäste, darunter viele amtierende und ehemalige Staats- und Regierungschefs, sollen den Sarg von Margaret Thatcher in Londons größter Kirche erwarten. Allein die militärischen Ehren, die der früheren britischen Premierministerin zuteil werden sollen, beschäftigen 700 Soldaten. Umgerechnet etwa zehn Millionen Euro koste das „imperiale Begräbnis“, schrieb der „Guardian“ - und verglich es mit der schlichten Trauerfeier für Clement Attlee: Für den Nachkriegspremier, der von vielen wegen der Einführung des Nationalen Gesundheitsdienstes (NHS) verehrt wird, versammelten sich 1967 nicht einmal 150 Gäste in der Temple Church.

          Jochen Buchsteiner
          Politischer Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in Berlin.

          Die Spaltung, die Frau Thatcher in der britischen Gesellschaft hinterlassen hat, überlebt auch die Trauerfeierlichkeiten. Abgeordnete der Labour Party und ihnen nahestehende Zeitungen werfen Premierminister David Cameron vor, den Tod der konservativen Ikone politisch auszuschlachten. Schon die Parlamentsdebatte, für die am Mittwoch die Mitglieder des Unter- und des Oberhauses eigens aus der Osterpause zurückgerufen worden waren, stieß auf Kritik. „Hochgradig provokativ“ nannte sie der Labour-Abgeordnete Graham Stringer, der - wie viele - eine Debatte in der folgenden regulären Plenarwoche angemessener gefunden hätte. Auch wunderte man sich über die Länge: Mehr als sieben Stunden lang gedachten die Abgeordneten und Lords der „Iron Lady“. Nach dem Tod ihres Vorvorvorgängers Edward Heath vor acht Jahren waren dafür sechzig Minuten angesetzt worden.

          Kein Staatsbegräbnis für Thatcher

          Das Vermächtnis Frau Thatchers sei „zu bitter, um eine nationale Trauer zu begründen“, sagte John Healey, der unter den Labour-Premiers Tony Blair und Gordon Brown als Minister diente. Healey gehörte zu den zahlreichen Labour-Abgeordneten, die die Parlamentssitzung zu Ehren Frau Thatchers boykottierten. Immerhin fand sich Labour-Chef Ed Miliband ein und demonstrierte, dass sich auch ohne Verbiegungen würdige Worte finden lassen. Frau Thatcher habe bewiesen, „dass Ideen in der Politik etwas bedeuten“, sagte er. Andere in seiner Partei ließen ihrer Abneigung hingegen freien Lauf. Die Abgeordnete Glenda Jackson erinnerte daran, dass Frau Thatcher die erste Frau an der Spitze einer westlichen Regierung war - um giftig anzufügen: „Eine Frau? Nicht nach meiner Definition.“ Frau Thatcher habe „den abscheulichsten sozialen und wirtschaftlichen Schaden in diesem Land angerichtet“, sagte die frühere Schauspielerin.

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          Der britische Oppositionsführer Ed Miliband spricht am 10. April zum Tode Margaret Thatchers :

          Margaret Thatcher ist der erste Regierungschef seit Winston Churchill, der im Beisein von Königin Elisabeth verabschiedet werden wird. Dies rügen sogar konservative Kommentatoren wie Peter Oborne im „Daily Telegraph“ als „parteiisch“. Offiziell erhält Frau Thatcher kein „Staatsbegräbnis“ - ein solches wurde seit Königin Victoria nur drei Monarchen und dem Kriegspremier Churchill gewährt -, aber das „Zeremonielle Begräbnis“, das protokollarisch eine Stufe darunter steht, lässt sich vom höchsten Staatsakt kaum unterscheiden. Frau Thatcher wird nicht öffentlich aufgebahrt und muss auf zwei Salutschüsse (19 statt 21) verzichten; zudem bedarf ihre Feier keines Parlamentsbeschlusses.

          Begräbnisplanung unter dem Namen „Iron Bridge“

          Der Abgeordnete Stringer bezeichnete die Kosten für den Staat als „unangemessen“ und spottete, man hätte doch von Frau Thatcher die Vorzüge der Privatisierung gelernt. „Banker und Yuppies“ sollten die Trauerfeier bezahlen, forderte am Donnerstag der „Daily Mirror“. Dagegen argumentierte Außenminister William Hague, dass allein der „Rabatt“, den Frau Thatcher in Brüssel ausgehandelt habe, bis heute mehr als 85 Milliarden Euro in die britische Staatskasse gespült habe. „Ich meine, das rückt das Geld ins Verhältnis - daher finde ich, dass wir uns einen Beitrag zu einem Begräbnis leisten können.“ Von „Beitrag“ spricht Hague, weil sich auch die Familie von Frau Thatcher an der Finanzierung beteiligt.

          Der Vorwurf der „Politisierung“ gewann noch an Schärfe, als bekannt wurde, unter welchem Code-Namen das Organisationskomitee die Trauerfeierlichkeiten derzeit plant: „Operation True Blue“ - Blau ist die Farbe der Konservativen Partei. Eine Regierungssprecherin versicherte am Donnerstag, die Vorbereitungen seien - samt Code-Name - schon im Jahr 2006, unter Tony Blair, aufgenommen worden. Laut „Independent“ stimmt das aber allenfalls zur Hälfte. Nach Informationen der Zeitung begannen die Begräbnisplanungen unter Blairs Nachfolger Gordon Brown - und zwar unter dem Code-Titel „Iron Bridge“, Eisenbrücke.

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