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Besetzung leitender Stellen : Rechnungshof zweifelt an Einstellungspraxis der Regierung Ramelow

Der Chef der Thüringer Staatskanzlei, Benjamin Hoff, und Ministerpräsident Bodo Ramelow (beide Linke), im Januar in Erfurt Bild: dpa

Ohne Ausschreibung und ohne Qualifikation: Der Thüringer Rechnungshof kritisiert die Einstellungspraxis der rot-rot-grünen Landesregierung für leitende Stellen.

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          In der Regel bekommen Deutschlands Rechnungshöfe einmal im Jahr Aufmerksamkeit, wenn sie ihre Berichte über besonders bizarre Fälle von Steuergeldverschwendung veröffentlichen. In Thüringen, wo politisch vieles anders ist als im Rest der Republik, sorgt seit Dienstag ein Sonderbericht der Finanzprüfer für Aufmerksamkeit, der es in sich hat.

          Stefan Locke
          Korrespondent für Sachsen und Thüringen mit Sitz in Dresden.

          Bei einer Prüfung der „Stellenbesetzung in den Leitungsbereichen der obersten Landesbehörden“ stellten die Prüfer Verstöße fest, die sie als „systematisch und schwerwiegend“ einstufen. Es handele sich dabei nicht um Einzelfälle. „Ungeachtet der verfassungsrechtlichen Vorgabe und der klaren gesetzlichen Ausformung hat die Landesregierung das Leistungsprinzip nicht durchgesetzt.“ Dadurch seien Zweifel an der Integrität der Verwaltung als Voraussetzung für das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit des Staates gesät worden. Es entstehe der Eindruck, dass eine Bestenauslese „entbehrlich oder durch politische Einstellung ersetzbar“ sei.

          Konkret prüfte die Behörde die Akten von 64 Landesbediensteten, darunter acht Staatssekretären, die in den Jahren 2014 bis 2020 von der rot-rot-grünen Regierung in Erfurt eingestellt wurden. Ziel der Ermittlungen sei es gewesen, zu prüfen, ob die Landesregierung bei ihrer Personalauswahl wirtschaftlich und sparsam vorgegangen sei, heißt es in dem Bericht. Der Rechnungshof prüfte deshalb, ob nach dem Prinzip der Bestenauslese nach Artikel 22, Absatz 3 Grundgesetz gehandelt wurde und ob die beamten- und laufbahnrechtlichen Voraussetzungen für die jeweiligen Einstellungen vorlagen.

          Politische Ansichten entscheidend

          Die Ergebnisse sind für die Landesregierung verheerend. So habe es bei 34 Einstellungen keine Stellenausschreibung gegeben und die Bestenauslese sei mangels Dokumentation nicht nachvollziehbar gewesen. In elf Fällen seien Bewerber ohne die für die Entgeltgruppe notwendige Qualifikation eingestellt worden. Zudem seien für zahlreiche Einstellungen „offensichtlich lediglich die politischen Absichten der Bewerber entscheidend“ gewesen, was auch daran zu erkennen sei, dass die eingestellten Personen immer der Partei des jeweiligen Behördenleiters angehörten. In lediglich fünf Fällen sei die Einstellung mit der Eignung der Bewerber begründet worden.

          Politische Ansichten zählten jedoch zu den leistungsfremden Kriterien und seien – sofern sie als alleiniger Maßstab für die Auswahl herangezogen würden – ein Verstoß gegen den Grundsatz der Bestenauslese, so die Prüfer. Sie kritisieren zudem, dass das Leitungspersonal nicht befristet, also für die Dauer der Legislaturperiode, eingestellt, sondern in den meisten Fällen auch darüber hinaus zumeist in den Fachabteilungen der Ministerien weiterbeschäftigt werde. Das geschehe selbst dann, wenn die Bediensteten ausdrücklich wegen ihrer besonderen Vertrauensstellung zum amtierenden Minister ausgewählt worden waren. Insgesamt seien 23 Bedienstete sogar sofort unbefristet und ohne Ausschreibung eingestellt worden.

          Die Kritik des Rechnungshofes hatte bereits vorab in der Landesregierung erhebliche Empörung ausgelöst. So erklärte Staatskanzleichef Benjamin Hoff (Linke), dass es eben unterschiedliche Auffassungen zwischen den Rechnungsprüfern und der Landesregierung gebe, etwa bei der Frage, inwieweit ein Staatssekretär auch nach politischem Vertrauen ausgewählt werden dürfe. Die Landesregierung weist deshalb Verstöße gegen den Grundsatz der Bestenauslese vehement zurück.

          So sei es kein Rechtsverstoß, wenn ein Beschäftigter zunächst ohne Ausschreibung eingestellt und dann ohne Ausschreibung entfristet oder in eine Fachabteilung versetzt werde. Allein aus dem Umstand eines besonderen Vertrauensverhältnisses zum jeweiligen Minister könne zudem nicht geschlossen werden, dass die Personen nicht für ihre Stellen qualifiziert seien.

          Die Opposition im Erfurter Landtag kritisierte das Verhalten der seit 2020 als Minderheitsregierung arbeitenden Koalition aus Linken, SPD und Grünen scharf. „Das moralische Kartenhaus von Rot-Rot-Grün fällt in sich zusammen“, sagte der parlamentarische Fraktionsgeschäftsführer Andreas Bühl (CDU) und forderte eine Erklärung von Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke). „Wer derart hohe Maßstäbe an andere anlegt, darf sich bei eigenen Verfehlungen nicht wegducken, wie Herr Ramelow und sein Staatskanzleichef es seit Monaten tun.“ Der Prüfbericht sei keine Bagatelle. Vielmehr sei den Steuerzahlern ein „Schaden in Millionenhöhe“ aufgebürdet worden.

          Die AfD-Fraktion forderte „politische und strafrechtliche Konsequenzen“ für die Verantwortlichen, während die Gruppe der FDP im Thüringer Landtag einen Untersuchungsausschuss einsetzen will, um die „rot-rot-grüne Vetternwirtschaft“ aufzuarbeiten.

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