Winfried Kretschmann : Kein Frieden in Stuttgart
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Das Thema „Stuttgart 21” wird den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann schon am ersten Tag nach seinem Urlaub in Schottland wieder einholen Bild: dpa
Winfried Kretschmann kommt aus dem Urlaub zurück und wird wieder vom alten Thema eingeholt: Stuttgart 21. Die grün-rote Landesregierung liegt bei der Bewertung von Heiner Geißlers Schlichtungsvorschlag nach wie vor weit auseinander.
Am Mittwoch kommt der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann aus dem Urlaub zurück. Der grüne Politiker war eine knappe Woche in Schottland, wo eine seiner Töchter lebt und wo er mit seiner Frau ein paar Tage wandern wollte. Das Thema „Stuttgart 21“ wird ihn schon am ersten Arbeitstag wieder einholen, denn er muss sich ein Bild verschaffen, welche Stellungnahmen es aus den einzelnen Ministerien über Heiner Geißlers Kompromissvorschlag („Frieden in Stuttgart“) gibt.

Politischer Korrespondent in Baden-Württemberg.
Die grün-rote Landesregierung will sich voraussichtlich am Donnerstagabend in einer Telefonschaltkonferenz darüber abstimmen, wie sie mit Geißlers Vorschlag nun verfahren will. Die Auffassungen von SPD und Grünen liegen wie immer, wenn es um „Stuttgart 21“ geht, weit auseinander: Die Grünen sehen in Geißlers Vorschlag eine Möglichkeit, das Konfliktthema loszuwerden. Die SPD beharrt auf der rechtlich umstrittenen Volksabstimmung und hält es weiterhin für das Beste, wenn das Bahnhofsprojekt in der genehmigten Variante mit einem tiefer gelegten Durchgangsbahnhof weiter gebaut wird.
Wie die Koalitionspartner zu einer einheitlichen Bewertung des Geißlerschen Kompromissvorschlags kommen wollen, ist mehr als rätselhaft. Es wird damit gerechnet, dass das von den Grünen geführte Verkehrsministerium eine positive Einschätzung des Kompromissvorschlags abgeben und dass das SPD-geführte Wirtschaftsministerium die Realisierungschancen und auch die Kosten eher kritisch würdigen wird. Möglicherweise wird der grüne Teil der Landesregierung von der Bahn neue Kostenberechnungen verlangen.
Kombibahnhof wäre teurer als der Durchgangsbahnhof
Die Stadt Stuttgart, die Region, der Verkehrswissenschaftler Gerhard Heimerl sowie die Verkehrsbetriebe haben Geißlers Kombibahnhof (SK2.2) noch einmal eingehend geprüft und sind zur Auffassung gelangt, dass dieser Bahnhof teurer würde als der schon im Bau befindliche Durchgangsbahnhof. „Das tatsächliche Finanzierungsvolumen für SK2.2 würde damit bei rund 5,2 Milliarden Euro liegen“, heißt es in dem Papier, das dieser Zeitung vorliegt. SK2.2 wäre damit deutlich teurer als „Stuttgart 21“. Die Verfasser rechnen zu den Baukosten des Kombibahnhofs noch die Sanierungskosten für den alten Bahnhof (1,3 Milliarden Euro), alte Planungskosten (350 Millionen Euro) sowie Kosten für die Rückabwicklung von Grundstücksverkäufen (800 Millionen Euro) hinzu. So werden aus 2,75 Milliarden Euro, die das Schweizer Ingenieurbüro SMA berechnet hat, am Ende 5,2 Milliarden Euro.
Geißlers Vorschlag sieht vor, einen Tiefbahnhof mit vier Gleisen für den Fernverkehr zu bauen und den Kopfbahnhof für den Regionalverkehr zu modernisieren und zu verkleinern. Nach Auffassung der Stadt und der Region hätte ein Kombibahnhof auch verkehrstechnische Nachteile: Es könnten weniger durchgehende Verbindungen für Regionalzüge geschaffen werden. Die „städtebauliche Chance der Befreiung der Innenstadt von oberirdischen Gleisanlagen“ gehe beim Bau des Kombibahnhofs verloren.
In Meinungsumfragen gibt es mittlerweile eine Mehrheit für das Verkehrsinfrastrukturprojekt. Die Suggestivfrage des Instituts TNS Infratest und der Freien Universität Berlin, ob sie den Bau eines billigeren Kombibahnhofs unterstützen würden, bejahten 69 Prozent der Befragten.