Volksentscheid : Klare Mehrheit für Stuttgart 21
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Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und sein Stellvertreter Nils Schmid (SPD) wollen das „letzte Wort der Bürger respektieren“ Bild: AFP
Bei der Volksabstimmung haben sich 58,8 Prozent der Wähler für den Bau des Bahnhofsprojekts ausgesprochen. Die grün-rote Landesregierung kündigt an, „Stuttgart 21“ so zu beenden, „wie es das Volk gewünscht hat.“
Die Gegner von Stuttgart 21 sind bei der Volksabstimmung über das Bahnprojekt klar gescheitert. Eine Mehrheit von 58,8 Prozent stimmte am Sonntag in Baden-Württemberg gegen einen Ausstieg des Landes aus dem Milliardenvorhaben. Die S-21-Kritiker verfehlten auch das Quorum von 33 Prozent der Wahlberechtigten deutlich. Dies gab die Landesabstimmungsleiterin am Sonntagabend bekannt. Damit steht dem Weiterbau des umstrittenen Tiefbahnhofs in der Landeshauptstadt nichts mehr im Wege. Nur 41,2 Prozent waren für eine Kündigung der Finanzierungsverträge mit der Bahn. Die Abstimmungsbeteiligung lag bei 48,3 Prozent. Bei dem ersten Volksentscheid seit 40 Jahren im Südwesten durften 7,6 Millionen Bürger über Stuttgart 21 abstimmen.
Der Vorstandsvorsitzende der Bahn, Rüdiger Grube, hatte erklärt, das Bauprojekt werde in diesem Fall wie geplant umgesetzt. Der Ministerpräsident und Stuttgart-21-Gegner Winfried Kretschmann (Grüne) kündigte an, er werde sich an die Verfassung halten und das Ergebnis akzeptieren.
Stuttgart 21 : „Das Volk hat gesprochen“
Kretschmann verlangte von der Deutschen Bahn aber Kostenklarheit. „Ich möchte mich nicht in eine Situation bringen lassen, wo mit dem Bau begonnen wurde, dann die Kosten explodieren und ich dann nachschießen muss, ob ich will oder nicht“, sagte Kretschmann am Sonntagabend im ZDF. Deswegen erwarte er von der Bahn eine klare Erklärung, dass sie die Kosten übernehme, wenn sie auf mehr als 4,5 Milliarden Euro steigen sollten. „Wir werden nicht mehr bezahlen, als unser Anteil an den 4,5 Milliarden Euro ist“, sagte der Ministerpräsident.
Das Land soll 824 Millionen Euro zu dem Bau des unterirdischen Bahnhofs und der Anbindung an die geplante ICE-Neubaustrecke nach Ulm beisteuern. Die Bahn beziffert die Kosten derzeit auf rund 4,1 Milliarden Euro und will will nach der für sie erfolgreichen Volksabstimmung über Stuttgart 21 an ihrem Zeitplan für das Projekt festhalten. „Wir haben das ehrgeizige Ziel, dass der erste Zug im November 2019 in den Tiefbahnhof rollt“, sagte Projektsprecher Wolfgang Dietrich am Sonntagabend der Nachrichtenagentur dpa.
Die Proteste gegen das Bauprojekt hätten die Bahn im Zeitplan um etwa ein Jahr zurückgeworfen. Er sei jedoch zuversichtlich, dass man das bei einer zügigen Bau-Fortsetzung 2012 aufhole. Die Abstimmung werde Befriedung bringen, sagte Dietrich. Er rechne dennoch mit weiteren Protesten. „Die Leute müssen sich aber klar sein, dass sie nicht gegen die Bahn protestieren, sondern gegen die Mehrheit der Bevölkerung.“
Die Bürger mussten in der Volksabstimmung entscheiden, ob die Finanzierungszusage des Landes widerrufen und damit die vertragliche Grundlage für Stuttgart 21 gekündigt werden soll. Gegner des Projekts stimmten daher bei dem Volksentscheid mit „Ja“, Befürworter mit „Nein“. Eine Enthaltung war nicht vorgesehen.
„Wie es das Volk gewünscht hat“
Kretschmann hatte in den Tagen vor der Abstimmung deutlich gemacht, dass das Projekt weiter gebaut wird, wenn das Quorum verfehlt werden sollte. Der stellvertretende Ministerpräsident und SPD-Landesvorsitzende Nils Schmid hatte Mitte 2010 das Verfahren zur Volksabstimmung vorgeschlagen, nur so war es ihm gelungen, eine Spaltung seiner Partei in der Bahnhofsfrage zu vermeiden. Erst mit der Einigung auf die Volksabstimmung waren Grüne und SPD im Südwesten überhaupt koalitionsfähig geworden. Die Grünen lehnen den neuen Durchgangsbahnhof ab; die SPD-Führung hat das Projekt seit der ersten Vorstellung im Jahr 1994 stets befürwortet.
„Wie haben Einigkeit in der Regierung, dass wir das letzte Wort der Bürger respektieren werden“, sagte Schmid, Er versprach, die Landesregierung werde „jetzt zusammen mit den anderen Partnern das Projekt so beenden, wie es das Volk gewünscht hat.“ Zudem kündigte der Minister an, im nächsten Jahr die Voraussetzungen für weitere Volksabstimmungen zu vereinfachen.
Eine Volksabstimmung gab es schon einmal 1951, damals ging es um die Gründung des Bundeslandes Baden-Württemberg. Noch am Sonntagabend wollten die Gremien der Regierungs- und Oppositionsparteien über die Konsequenzen aus der Volksabstimmung beraten. Der Stuttgart-21-Gegner und grüne Verkehrsminister Hermann hat einen Rücktritt für den Fall, dass die Gegner scheitern sollten, schon in der vergangenen Woche abgelehnt.
Stuttgart 21 : Reaktionen nach dem Volksentscheid
Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) hat klare Votum für das Bahnprojekt Stuttgart 21 begrüßt. „Das Ergebnis ist ein wichtiges Signal für den Wirtschaftsstandort Deutschland“, erklärte Ramsauer am Sonntagabend nach Ministeriumsangaben.
Er appellierte an alle Beteiligten, den Ausgang der Abstimmung zu akzeptieren. Dies gehöre zur Demokratie dazu. Ramsauer betonte, große Infrastrukturprojekte müssten auch weiterhin möglich sein. „Wir dürfen nicht nur das Land der Ideen, sondern müssen auch das Land derUmsetzung bleiben.“