Schlichtung bei Stuttgart 21 : Ein Beispiel für Bürgerbeteiligung
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Die Schlichterrunde: Ein Beispiel für repräsentative Demokratie Bild: dpa
Über den Zankapfel "Stuttgart 21" eine Schlichtung anzusetzen, war eine verwegene Idee. Für das Bahnprojekt kam die Aufklärung viel zu spät. Gorleben und andere Konfliktherde im Land könnten auf diese Weise aber vielleicht noch befriedet werden.
Über den Zankapfel "Stuttgart 21" eine Schlichtung anzusetzen, war eine verwegene Idee. Skepsis war angebracht: Wie sollte ein Streit geschlichtet werden, in dem eine Annäherung der Positionen nach dem Muster von Tarifverhandlungen von vornherein ausgeschlossen war?
Die goldene Mitte zwischen "oben bleiben" und in die Tiefe gehen gab es ja nicht. Hinzu kam der Einwand: Wie kann ein demokratisch nicht legitimiertes Tribunal über rechtsstaatlich einwandfrei zustande gekommene Entscheidungen und Verträge verhandeln? Am Ende dieser denkwürdigen Veranstaltung - und unabhängig vom Schlichterspruch, der heute verkündet wird - müssen die Kritiker Abbitte leisten bei denen, die sich darauf eingelassen haben: bei den Befürwortern des Projekts ebenso wie bei den Gegnern und besonders bei Heiner Geißler.
Denn im Stuttgarter Ratssaal wurde sechs Wochen lang vorgeführt, wie repräsentative Demokratie aussehen kann, wenn die Politik das Volk ernst nimmt. Wie dort miteinander geredet und gerungen wurde, das erlebt man im Bundestag nur noch bei den seltenen Ethik-Debatten, in Landtagen gar nicht mehr.
Mit billigen Parolen kam hier keiner durch. Politiker maßen sich mit Politikern, Fachleute mit Fachleuten. Der Moderator sorgte dafür, dass die Debatten weder in Polemik noch ins Fachchinesische abglitten. Wer wirklich an der Sache interessiert war, konnte sich vom besseren Argument überzeugen lassen.
So müsste Bürgerbeteiligung immer aussehen. So läuft sie aber leider nicht. In Stuttgart zeigte sich wieder einmal, dass das übliche Verfahren bei Großprojekten nicht der Information der Bürger, sondern der rechtlichen Absicherung von Politik und Behörden dient. Gutachten und Nebenabsprachen bleiben unter Verschluss, Einwendungen werden nicht offen widerlegt, Gegenkonzepte gar nicht erst diskutiert. Genehmigungen, die so zustande kommen, wecken zu Recht das Misstrauen der Betroffenen und treiben sie auf die Straße.
Erst im Schlichtungsverfahren konnte die Sorge zerstreut werden, dass der Tiefbahnhof die vielgeliebten Stuttgarter Mineralquellen gefährde. Für "Stuttgart 21" kam die Aufklärung viel zu spät. Gorleben und andere Konfliktherde im Land könnten auf diese Weise aber vielleicht noch befriedet werden. Die Alternative lautet nicht: repräsentative oder direkte Demokratie, sondern Offenheit oder Versteckspiel mit den Bürgern.