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Studie : „Irritierendes Verhalten vieler Migrantenkinder“

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Die Erziehungsziele in bildungsfernen Einwandererfamilien unterscheiden sich von denen der deutschen Mittelschicht

Die Erziehungsziele in bildungsfernen Einwandererfamilien unterscheiden sich von denen der deutschen Mittelschicht Bild: dpa

Eine KAS-Studie nennt Gründe für das Schulversagen vieler Migrantenkinder: Autoritätshörigkeit der Eltern, harte Strafen, geringe frühkindliche Bildung.

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          Etwa ein Drittel der in Deutschland lebenden Migrantenkinder hat Probleme in der Schule. Die Gründe für ihre schlechten Leistungen und Disziplinschwierigkeiten haben die Erziehungswissenschaftler Ahmet Toprak und Aladin El Mafaalani jetzt im Auftrag der Konrad-Adenauer-Stiftung untersucht. „Irritierend, befremdlich und sozial unerwünscht“, so heißt es in ihrer Studie über „Muslimische Kinder und Jugendliche in Deutschland“, sei deren Verhalten bisweilen. Toprak und Mafaalani, selbst türkischer und syrischer Abstammung, zeigen Ursachen auf, geben aber auch Handlungsempfehlungen für den Umgang mit Kindern und Jugendlichen aus benachteiligten, konservativen Einwandererfamilien.

          Mangelnder Erfolg in der Schule hat nach der Analyse der Autoren eine Reihe kultureller wie innerfamiliärer Ursachen. Ein Grund liege in der frühkindlichen Erziehung. Während deutsche Eltern in der Regel wüssten, dass die Grundlagen für schulischen Erfolg zu Hause gelegt werden, finde in türkischstämmigen Familien keine auf die Anforderungen der Schule ausgerichtete „Vorerziehung“ statt. Der Entwicklung der sprachlichen, motorischen und kognitiven Fähigkeiten ihrer Kinder zur Vorbereitung auf die Schule schenkten sie wenig Aufmerksamkeit. In einer hilflosen Autoritätsgläubigkeit verließen sie sich darauf, dass die Schule ihren Kindern schon beibringen werde, was sie wissen müssten. Sie kennen sich mit dem Schul- und Ausbildungssystem kaum aus, wie die Autoren schreiben, überschätzen die Funktion der Schule und geben ihre eigene pädagogische Verantwortung für den Lernerfolg komplett ab. Denn das sei das, was sie aus den Herkunftsländern kennen: „Dort ist es allein Sache der Lehrer, was Schüler lernen. Eltern würden sich niemals in die schulische Erziehung einmischen“, sagt Mafaalani, der Bildungsforscher und auch selbst Lehrer ist.

          Kinder unter starker Kontrolle

          „Umgekehrt würde ein Lehrer in der Türkei oder einem arabischen Land sich bei Schwierigkeiten mit einem Schüler niemals an dessen Eltern wenden“, sagt Toprak, der Professor für Erziehungswissenschaften an der Fachhochschule Dortmund ist. „Wenn das in Deutschland passiert, halten die Eltern den Lehrer für inkompetent. Dass er sie zur Mithilfe auffordert, legen sie als Zeichen der Schwäche aus.“ Umgekehrt deuten Lehrer die Nichteinmischung der Eltern als Desinteresse. Um Abhilfe für diese wechselseitigen Missverständnisse zu schaffen, schlagen die Autoren eine Elternarbeit vor, die sich nicht auf schriftliche Einladungen zu Elternabenden beschränken dürfe; Hausbesuche seien wirksamer.

          Ein weiterer Grund für schulische Schwierigkeiten sei, dass die Erziehungsziele in bildungsfernen Einwandererfamilien aus der Türkei sich von denen der deutschen Mittelschicht erheblich unterscheiden: Kinder sollen sich in erster Linie in die Gemeinschaft einfügen, in die sie hineingeboren werden, so die Überzeugung türkischer Eltern. Gehorsam gegenüber älteren Familienmitgliedern, Respekt vor Autoritäten, das Bewahren der Familienehre und das Befolgen der religiösen Regeln des Islams stehen auf der Skala ihrer Ziele ganz oben, wie die Autoren durch Interviews belegen. Kinder würden stark kontrolliert, auch gegängelt, ausgeschimpft und bisweilen sogar geschlagen. Die Tendenz, Jungen zu vergöttern, Mädchen aber zur Hausarbeit heranzuziehen und ansonsten zu vernachlässigen, existiere noch immer.

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