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Statistik der Länder : Drogenkonsum unter Schülern steigt deutlich

  • Aktualisiert am

Kiffende Schüler: Ein Konsument nimmt einen Zug. Bild: dpa

Die Zahl der Drogendelikte an den Schulen hat sich teilweise verdreifacht. Eine Münchner Forscherin zweifelt an der Wirksamkeit der Präventionsarbeit.

          2 Min.

          Die Rauschgiftkriminalität auf Deutschlands Schulhöfen hat stark zugenommen. Das geht aus Zahlen der Landeskriminalämter und der Innenministerien hervor. In Baden-Württemberg etwa hat sich die Zahl der Drogendelikte an den Schulen fast verdreifacht: Wurden dort 2011 noch 348 Fälle registriert, waren es 2015 schon 939 Fälle – trotz der Suchtpräventionsprogramme, die zahlreich aufgesetzt worden sind.

          Keine Unbedenklichkeitsbescheinigung für Cannabis

          Die meisten Delikte betrafen den Besitz und Kauf illegaler Drogen wie Cannabis. Dadurch erhält die Debatte um die Legalisierung von Marihuana neuen Auftrieb: Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler (CSU), warnte vor einer „gesellschaftlichen Verharmlosung von Cannabis“ und sprach sich gegen eine Legalisierung von Cannabis aus. Diese würde von den Jugendlichen als „staatliche Unbedenklichkeitsbescheinigung“ aufgefasst.

          Dabei müsse den Jugendlichen vermittelt werden, „dass Cannabiskonsum keineswegs harmlos ist und sie mit Cannabiskonsum ihr Gehirn in einer besonders sensiblen Lebensphase schädigen.“ Die Befürworter hingegen argumentieren, dass das Verbot von Cannabis keinerlei positive Signalwirkung oder sonstige positive Auswirkung habe. Stattdessen führe das Verbot zu einer unnötigen Belastung der Polizei.

          Aufruf „Quit the Shit!“ zur Prävention

          Dass die Gesundheitsförderung und Prävention ein integraler Bestandteil der Schulentwicklung sein muss, hat die Kultusministerkonferenz in einem Beschluss aus dem Jahr 2012 bereits festgeschrieben. „Sie stellen keine Zusatzaufgaben der Schulen dar, sondern gehören zum Kern eines jeden Schulentwicklungsprozesses“, heißt es dort. Über ihre Präventionsmaßnahmen geben die einzelnen Bundesländer gerne Auskunft – und beweisen damit vor allem Kreativität bei der Namensgebung: Von FreD in Rheinland-Pfalz (Frühintervention bei erstauffälligem Drogenkonsum) über „sauba bleim“ im Großraum München bis hin zum Beratungsportal „Quit the Shit“ der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.

          Thematisierung in den Schulen könnte Risiko-Bereitschaft steigern

          Die Präventionsarbeit wirft laut der Wissenschaftlerin der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität, Eva Hoch, kritische Fragen auf: „Es wird viel in Sachen Prävention gemacht. Aber ob das alles nachhaltig und wirksam ist, dahinter steht ein großes Fragezeichen“, sagt Hoch. „Wir wissen zum Beispiel nicht, ob die Risiko-Bereitschaft nach der Thematisierung in der Schule steigt.“ In einem kleinen Forschungsprojekt untersucht die Forscherin unter anderem die Wirksamkeit von Maßnahmen der Cannabis-Prävention in Deutschland.

          Der Vorsitzende des Lehrerverbands Bildung und Erziehung (VBE), Udo Beckmann, weist darauf hin, dass nicht allein die Schulen die Prävention regeln könnten. „Entscheidend sind auch andere Umstände, wie die Thematisierung und der Umgang damit im Elternhaus und die Vorbildfunktion von Eltern“, sagt Beckmann. Es brauche auch eine gesellschaftliche Verschärfung des Zugangs zu Drogen.

          Internet etabliert sich als zusätzlicher Vertriebsweg

          In den meisten Fällen des Kaufs und Besitzes von Drogen erwischte die Polizei Jugendliche. Kinder unter 14 Jahren gehörten deutlich seltener zu den Tätern. Unter dem Tatort Schule werden außerdem Drogendelikte von erwachsenen Schulangehörigen erfasst, also etwa Lehrern und Hausmeistern, die allerdings keine allzu große Rolle im Verhältnis zur Gesamtzahl spielen.

          Als ein Grund für die allgemeine Zunahme der Drogendelikte kann nach Einschätzung des bayerischen Innenministerium auch gelten, dass sich die illegalen Angebote – in ihrer oft verharmlosenden Aufmachung als Spaß- und Lifestyle-Produkte – geradewegs an die internetaffine Jugend richteten. Zudem seien Drogen immer leichter im Internet zu bekommen.

          Wie in Baden-Württemberg hat sich die Zahl der Delikte auch in Sachsen-Anhalt fast verdreifacht, wenn auch auf niedrigerem Niveau. Dort ist sie von 42 im Jahr 2011 auf 109 im Jahr 2015 gestiegen. Die Landeskriminalämter Nordrhein-Westfalen und Sachsen meldeten jeweils eine Verdoppelung der Fälle (in NRW von 443 auf 897 Delikte, in Sachsen von 69 auf 128). Ähnlich stark sind die Zuwächse in Thüringen. In Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und Hessen ist ein leichter Anstieg festzustellen.

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