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Stalinismus-Opfer : Die Helden von gestern

„Rechtsstaatlichkeit“ in der CSSR 1966: Nach einem gescheiterten Fluchtversuch stehen die DDR-Bürger Gervin und Herta Brucks (3.v.l und ganz rechts) mit ihren Fluchthelfern aus Westdeutschland, Gerd Richtsteig (2.v.l.) und Helga Gröschel (3.v.r.) in der Tschechoslowakei vor Gericht. Sie erhalten sechs Monate Haft, nur Herta Brucks wird freigesprochen. Bild: Picture Alliance

Folterungen, sexuelle Übergriffe, Dunkelhaft: In einem tschechoslowakischen Gefängnis wurde Alexander Wiegand krank für den Rest seines Lebens. Doch eine Entschädigung hat er bis heute nicht erhalten.

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          Alexander Wiegand war einmal ein Held. Das war in den siebziger Jahren. Wiegand war damals Fernfahrer aus Westdeutschland, angestellt bei einer West-Berliner Speditionsfirma. Aus der DDR, Polen, der Tschechoslowakei und sogar aus Russland brachte er Waren und Altmetall in den Westen. Und er brachte Flüchtlinge. Heimlich, versteckt hinter einer eingebauten Bretterwand in seinem Lastkraftwagen, mit kleinen Luftlöchern, damit sie dort während der Fahrt und langen Kontrollen nicht erstickten. 129 Menschen ermöglichte Wiegand, der selbst in einfachen Verhältnissen in Solingen aufgewachsen war, auf diese Weise die Flucht in ein neues Leben im Westen.

          Susanne Kusicke
          Redakteurin der Politik.

          Aber irgendwann wurde er erwischt, in der Tschechoslowakei, mit acht Leuten in seinem Versteck. Wiegand kam wegen Fluchthilfe in ein Gefängnis in Prag. Mehr als vier Jahre lang wurde er in feuchten, kalten Kellern gefangen gehalten, viele Monate davon in Dunkelhaft. Immer wieder kam es zu Verhören, Folterungen und sexuellen Übergriffen durch Mithäftlinge. 1976 wurde seine Strafe zur Bewährung ausgesetzt, weil er in der Haft schwer erkrankt war. „Als ich rauskam, war ich spindeldürr, total verlaust und konnte kaum noch laufen“, sagt er. Doch auf eine Entschädigung für die Jahre seiner Haft wartete er vergebens.

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