Urteil des polnischen Verfassungsgerichts
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Demonstranten gehen gegen die Verschärfung des Abtreibungsverbotes in Polen auf die Straße. Bild: dpa
Warum das polnische Verfassungsgericht die embryopathische Indikation als verfassungswidrig verworfen hat – und warum es damit recht hat.
In einem auf Antrag von Abgeordneten des Sejms durchgeführten abstrakten Normenkontrollverfahren hat das polnische Verfassungsgericht mit Urteil vom 22. Oktober 2020 eine Bestimmung des polnischen Gesetzes über Familienplanung, den Schutz von Föten und Rechtfertigungsgründe für einen Schwangerschaftsabbruch für verfassungswidrig erklärt, die – bis zur extrauterinen Lebensfähigkeit des Fötus – einen Schwangerschaftsabbruch erlaubte, wenn auf der Grundlage von vorgeburtlichen Tests und/oder aus anderen medizinischen Gründen eine hohe Wahrscheinlichkeit für die schwere und irreversible Beeinträchtigung des Fötus oder für die lebensbedrohliche unheilbare Krankheit des Fötus besteht.
Die Entscheidung hat zum Teil für helle Empörung gesorgt, in Polen und andernorts. Die Abwehrreaktion ist gewiss auch auf die rechtsstaatlich in der Tat sehr problematische Neubesetzung der Richterbank in den letzten Jahren zurückzuführen. Doch wie steht es um die Sache selbst? Im Anschluss an eine Entscheidung aus dem Jahr 1997, als das Land sozialdemokratisch regiert wurde, hält das polnische Verfassungsgericht daran fest, „dass das menschliche Leben in jeder Phase seiner Entwicklung einen Wert darstellt und als Wert, der sich aus den Bestimmungen der Verfassung ergibt, vom Gesetzgeber geschützt werden sollte“. Es stützt sich dabei auf die Garantie der inhärenten und unveräußerlichen Würde des Menschen als „der Quelle seiner Freiheiten und Rechte“ (Art. 30 der polnischen Verfassung) und deren Art. 38, dem zufolge die Republik Polen jedem Menschen rechtlichen Schutz des Lebens gewährleistet. Damit werde auch ein ungeborenes Kind – als Mensch, der Anspruch auf die unveräußerliche Würde der Person hat – als Träger von Rechten und Pflichten anerkannt, die das Recht auf Leben einschließen. Das Rechtssystem müsse einen angemessenen Schutz für die Würde des ungeborenen Kindes bieten, ein zentraler Wert, ohne den eine Anerkennung als Subjekt von Rechten und Pflichten ausgeschlossen wäre.
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