Fernabschaltung von Leistungen : Sperrung per Mausklick als Selbstjustiz?
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Der BGH wird sich zur Fernabschaltung von vertraglichen Leistungen positionieren müssen Bild: Max Kesberger
Der BGH muss prüfen, ob die Fernabschaltung einer Batterie für ein Elektrofahrzeug zulässig war.
Es ist ein häufig vorkommendes Problem, das immer wieder zu Verdruss führt: Ein Unternehmen kündigt ein Vertragsverhältnis, der Kunde nutzt aber die überlassenen Gegenstände trotzdem weiter. Diesen Zustand möchte das Unternehmen natürlich so schnell und einfach wie möglich beenden. Was liegt also näher, als Fakten zu schaffen und dem vormaligen Kunden die Nutzung des überlassenen Gegenstandes unmöglich zu machen? Immer öfter ist es faktisch möglich, durch einen einfachen Klick aus der Ferne die Funktionsfähigkeit von Gegenständen wie Autos, SIM-Karten oder elektronischen Schlüsseln aufzuheben.
Nach dem Muster wollte auch eine Bank vorgehen, die Batterien für Elektrofahrzeuge vermietet. In ihren „Allgemeinen Batterie-Mietbedingungen“ habe sie vorgesehen, dass sie im Falle einer außerordentlichen Vertragsbeendigung durch Kündigung die Wiederaufladung der Batterie sperren könne. Die Frage ist, ob ein solches Vorgehen ohne Weiteres rechtlich zulässig ist. Ein Verbraucherschutzverein sah das nicht so und nahm die Bank auf Unterlassung der Verwendung der Sperrklausel in Anspruch. Über den Fall wird der Bundesgerichtshof an diesem Mittwoch verhandeln.
Das Landgericht Düsseldorf gab dem Verbraucherschutzverein in erster Instanz recht. Der Kunde werde unangemessen benachteiligt, wenn ihm die Wiederauflademöglichkeit der Batterie verwehrt werde. Die Bank übe dadurch „verbotene Eigenmacht“ aus und umgehe damit das gesetzliche Verbot der Selbstjustiz. Der Gesetzgeber habe sicherstellen wollen, dass das Verbot eigenmächtiger Besitzentziehung unabhängig von der schuldrechtlichen Lage bestehe. Faktisch werde dem Mieter aber der Besitz an der Batterie entzogen, wenn er sie wegen der Sperrung durch das Unternehmen nicht wieder aufladen könne.
Die Bank ging in Berufung. Sie argumentierte, der Nutzer hätte die Möglichkeit gehabt, die Batterie auch zu kaufen oder sich anderweitig eine Batterie für das Elektrofahrzeug zu beschaffen. Außerdem habe der Bundesgerichtshof bereits früher im Zusammenhang mit einem Gewerberaummietverhältnis entschieden, dass der Vermieter Versorgungsleistungen, etwa die Wasserversorgung, einstellen könne, wenn der Mieter die entsprechenden Nebenkosten nicht zahle. Mobilfunkunternehmen könnten im Übrigen auch im Falle des Zahlungsverzuges des Kunden den Zugriff auf das Mobilfunknetz sperren.
Das Oberlandesgericht folgte dieser Argumentation nicht und wies die Berufung der Bank zurück. Die Möglichkeit zum Kauf der Batterie sei nicht geeignet, die Besitzstörung zu beseitigen, die mit dem Abschalten der Wiederauflademöglichkeit einhergehe. Der Kunde habe bewusst einen Mietvertrag über die Batterie geschlossen, um den finanziellen Aufwand für die Nutzung eines Elektrofahrzeugs zu reduzieren. Er habe sich also gerade gegen den Kauf entschieden. Im Übrigen könne auch nicht angenommen werden, dass jeder Mieter sich den Kauf der Batterie leisten könne. Auch der Hinweis auf die Möglichkeit, Versorgungsleistungen einzustellen, führe nicht weiter: Denn in solchen Fällen entstünden dem Vermieter weitere Kosten, die ihm nicht zuzumuten seien.
Es bleibt abzuwarten, wie sich der Bundesgerichtshof positionieren wird. Segnet er die streitige Klausel der Bank ab, ist zu erwarten, dass auch andere Unternehmen künftig von der Möglichkeit zur Fernabschaltung von vertraglichen Leistungen umfassend Gebrauch machen werden. Und zwar auch dann, wenn die Rechtslage in dem jeweiligen Fall vielleicht nicht klar ist.
Der Autor ist Fachanwalt für Arbeitsrecht der Dornbach GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft.