Sabine Leutheusser-Schnarrenberger : Eid ohne Folgen
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Bild: Gyarmaty, Jens
Die Minister schwören bei ihrem Amtsantritt, Schaden vom deutschen Volke abzuwenden. Eine Kritik an der Bundesjustizministerin von Professor Dr. Marcus Lutter.
Die Minister schwören bei ihrem Amtsantritt, sie würden Schaden vom deutschen Volke abwenden. Die Bundesjustizministerin, Frau Leutheusser-Schnarrenberger, war seit Mai 1992 schon einmal Bundesjustizministerin. Zuvor war unter Mitwirkung der Bundesregierung im EU-Ministerrat die Richtlinie 90/314/EWG über Pauschalreisen verabschiedet worden. Diese Richtlinie wollte europaweit dafür sorgen, dass Pauschalreisende nicht mehr als Folge der Insolvenz ihres Reiseveranstalters irgendwo auf der Welt „stranden“ könnten: hinausgeschmissen aus ihren Hotels und ohne Rückflug. Nach der Richtlinie sollte dem eine gesetzliche Pflichtversicherung entgegenwirken. Diese Richtlinie war bis zum 31. Dezember 1992 mit der Festlegung dieser Pflichtversicherung in deutsches Recht umzusetzen. Es geschah erst zum 1. Juli 1994. Im Jahr 1993 ging ein großer deutscher Reiseveranstalter in die Insolvenz und Tausende von Urlaubern strandeten, mussten doppelt bezahlen, um heimkehren zu können.
Schon davor hatte der Europäische Gerichtshof entschieden, dass Mitgliedsländer, die ihre europäischen Pflichten verletzen, verpflichtet sind, den dadurch Betroffenen ihren Schaden zu ersetzen. Und so rollte eine Lawine von Schadensersatzforderungen auf die Bundesregierung zu. Diese hat zunächst versucht, sich zu wehren. Aber das währte nicht lange: Auf Vorlage des Landgerichts Bonn bestätigte der EuGH seine Rechtsprechung, und die Bundesrepublik wurde rechtskräftig zur Erstattung der Schäden verurteilt. Insgesamt beliefen sich diese 1993 auf knapp 15 Millionen Mark. Auf den Gedanken, die für die rechtzeitige Umsetzung der Richtlinie zuständige Justizministerin auf Ersatz dieses Schadens in Anspruch zu nehmen, ist niemand gekommen.
Jetzt ist Frau Leutheusser-Schnarrenberger wieder Justizministerin und wieder ist sie zuständig für die rechtzeitige Umsetzung einer europäischen Richtlinie, der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung. Und wieder tut sie es nicht; seit vielen Monaten ist die Umsetzungsfrist abgelaufen.
Diesmal geht es nicht um geschädigte Bürger, diesmal geht es um einen direkten Schaden der Bundesrepublik: Diese ist von der Kommission in Brüssel seit dem 1. Juni 2012 vor dem Europäischen Gerichtshof auf Zahlung von täglich 300000 Euro Zwangsgeld verklagt.
Der Ausgang dieses Verfahrens scheint klar und wird in etwa 10 Monaten zu einem entsprechenden Urteil des EuGH führen. So steht es in Artikel 260 Absatz 3 AEUV. Selbst wenn die Justizministerin wenigstens dann sofort handelt, kann das Bundesgesetz erst nach mindestens drei bis vier Monaten Beratung in Bundestag und Bundesrat im Bundesgesetzblatt stehen. Ein erneuter Schaden der Bundesrepublik von mindestens 30 Millionen Euro ist mithin programmiert. Wie sprach doch Frau Leutheusser-Schnarrenberger bei ihrer erneuten Vereidigung vor gut zwei Jahren: „Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden . . . werde.“