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Pro und Contra : Neues Einsatzrecht

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Bild: Greser & Lenz

Das Parlamentsbeteiligungsgesetz muss reformiert werden, um Deutschland sowie Nato und EU handlungsfähiger zu machen.

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          Bei einer Reform der Parlamentsbeteiligung bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr geht es nicht um eine Entparlamentarisierung der deutschen Sicherheitspolitik und nicht einmal um eine Schwächung des Parlamentes. Es geht auch nicht darum, dass Deutschland sich künftig leichtfertiger, unbedachter oder unvoreingenommener des militärischen Instrumentariums bedienen solle. Es geht vielmehr um die notwendige Konsequenz aus einer ebenso notwendigen Entwicklung in Nato und EU unter dem Schlagwort Stärkung der gemeinsamen Handlungsfähigkeit als Alternative zu einer Renationalisierung. Wer Multinationalität, Arbeitsteilung und effizienten Einsatz knapper Mittel will, der darf der zuverlässigen Erfüllung der Bündnisverpflichtungen keine allzu hohen Hürden im innerstaatlichen Entscheidungsprozess gegenüberstellen.

          Im Sinne einer verlässlichen, handlungsfähigen und demokratisch legitimierten Beteiligung Deutschlands an der weiteren multinationalen militärischen Integration in EU und Nato sollte die Debatte entlang drei großer Linien geführt werden:

          Erstens sollte auf eine belastbare sicherheitspolitische Strategie hingewirkt werden. Dies kann nur langfristig erreicht werden, es würde aber dem Streit um den Parlamentsvorbehalt die Spitze nehmen. Denn die unterstellte „Unverlässlichkeit“ des Parlaments ist vornehmlich Ausdruck des fehlenden strategischen Konsenses in der deutschen Politik insgesamt. Es sollte eine regelmäßige (jährliche) Sicherheitsdebatte im Bundestag initiiert werden, welche die Ziele der deutschen Sicherheitspolitik identifiziert, bestehende Herausforderungen analysiert und entsprechende Mittel und Maßnahmen benennt.

          Zweitens sollte eine Modifikation des Parlamentsbeteiligungsgesetzes vorgenommen werden, und zwar in Geist und Buchstabe. Im Sinne einer politischen Klarstellung könnte zum einen der Gedanke leitend sein, dass soweit Zweck oder Rahmenbedingungen eines Einsatzes einen kurzfristigen Operationsbeginn erfordern und dafür eine Entscheidung des Deutschen Bundestages nicht ohne weiteres rechtzeitig herbeigeführt werden kann, die Bundesregierung berechtigt ist, bewaffnete Streitkräfte vorläufig einzusetzen. Stimmt der Bundestag dem Einsatz innerhalb von 30 Tagen nicht zu, ist der Einsatz unverzüglich zu beenden.

          Als zentraler Aspekt bei einer Reform sollte drittens mit Blick auf effektive Pooling- und Sharing-Arrangements eine Passage aufgenommen werden, welche die 30-Tage-Regel auf Einsätze ausweitet, die ohne Gegenstimme im Rat der EU oder im Nato-Rat beschlossen wurden und für die auf vorher definierte Kapazitäten aus Sharing-Arrangements zurückgegriffen wird. Sinnvoll wäre zudem, dass mit der Bereitschaftsmeldung deutscher Verbände für Nato und EU ein Vorratsbeschluss durch den Bundestag verabschiedet wird. Dieser könnte die Bundesregierung ermächtigen, die bereitgehaltenen Kräfte gemäß der von ihr im Nato-Rat oder im EU-Rat mitgetragenen Entscheidungen (die selbstverständlich parlamentarisch begleitet werden) auch tatsächlich einzusetzen.

          Denkbar wäre auch, im Zuge der jährlichen Debatte jeweils einen Parlamentsbeschluss für die Bereitstellung deutscher Soldaten und Fähigkeiten in integrierten Streitkräften und Stäben zu fassen. So obläge der Exekutive in solchen eng umrissenen Fällen das „Einsatzrecht“ und dem Bundestag als der Legislative das „Rückholrecht“. Ein solches Revokationsrecht ist rechtlich umstritten, politisch wäre dies aber ein sinnvolles und verantwortbares Signal, dass mit der militärischen Integration in Nato und EU in Deutschland bündnistauglich umgegangen wird.

          Bei einer Reform des Parlamentsbeteiligungsgesetzes ist es zentral, die Dinge vom Ende (also dem politischen Ziel) her zu denken und dann rechtliche Regelungen für die bestehenden Probleme zu finden. Die Bundeswehr soll nicht allein der Exekutive überlassen werden, aber das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach betont, dass es Sache des Gesetzgebers ist, Form und Ausmaß der parlamentarischen Mitwirkung näher auszugestalten.

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