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NSA-Affäre : Abhören des Kanzler-Telefons völkerrechtlich nicht verboten

  • -Aktualisiert am

Kanzlerin Merkel ist nicht die einzige, die hier zuhört Bild: dpa

Der Vorgang ist skandalös, doch das Abhören des Handys von Kanzlerin Merkel durch die NSA ist völkerrechtlich nicht verboten. Erst zwischenstaatliche Verträge könnten ein entsprechendes Spionageverbot regeln. Ein Gastbeitrag von Völkerrechtler Stefan Talmon.

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          Das Abhören des Handys von Kanzlerin Merkel durch den amerikanischen Geheimdienst NSA hat politisch viel Staub aufgewirbelt, völkerrechtlich stellt sich die Sache jedoch viel nüchterner dar. Das Abhören der Kanzlerin erfüllt den Tatbestand der Spionage in Friedenszeiten und ist als solches völkerrechtlich grundsätzlich erlaubt. Deutschland kann deshalb von Amerika weder eine förmliche Entschuldigung fordern noch Gegenmaßnahmen ergreifen. Eine zeitweilige Suspendierung des Swift-Abkommens mit der EU von 2010, das amerikanischen Terrorfahndern den Zugriff auf Kontobewegungen von Verdächtigen in der EU erlaubt, wäre als Reaktion auf die Spähaktionen völkerrechtlich unzulässig.

          Ein sogenanntes „No Spy“-Abkommen, worin sich die Vertragsparteien verpflichten, sich nicht gegenseitig auszuspähen, existiert bislang zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland nicht, ist aber geplant. Hier wird immer wieder auch auf die britisch-amerikanische Fernmeldeaufklärungsvereinbarung von 1946 verwiesen, der später auch Australien, Kanada und Neuseeland beigetreten sind. Die fünf Staaten sollen übereingekommen sein, sich nicht gegenseitig auszuspähen. Bei dieser auf der Internetseite der NSA veröffentlichten „Vereinbarung“ scheint es sich jedoch eher um eine politische Abmachung zwischen den Geheimdiensten als um einen völkerrechtlich verbindlichen Vertrag zwischen den Staaten zu handeln. Ein Ausspähverbot wird nicht ausdrücklich erwähnt; vielmehr geht es um den umfassenden Austausch von Geheimdienstinformationen, der ein gegenseitiges Ausspähen wohl überflüssig macht. Bislang scheint Amerika noch mit keinem anderen Staat ein rechtsverbindliches „No Spy“-Abkommen geschlossen zu haben.

          Auch andere Länder scheinen solche Abkommen bislang nicht eingegangen zu sein. Dies bedeutet nicht, dass dies nicht möglich wäre. Ein solches Verbot stünde aber wohl von Anfang an unter dem Vorbehalt der nationalen Interessen. Man wird sich in Amerika daran erinnern, dass einige der Attentäter vom 11. September 2001 in Hamburg studiert hatten. Wenn überhaupt, dürfte die Obama-Regierung zu einer politischen Abmachung bereit sein, die den Staaten große Handlungsspielräume lässt. Aber auch eine förmliche politische Vereinbarung mit Deutschland erscheint als eher unwahrscheinlich. Washington könnte eine solche nicht eingehen, ohne dass andere Verbündete Ähnliches fordern würden.

          Verstoß gegen Wiener Übereinkommen

          Soweit das Abhören der Kanzlerin aus der amerikanischen Botschaft in Berlin heraus erfolgte, verstößt dies freilich gegen das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen von 1961. Danach haben die Angehörigen diplomatischer Missionen das Recht des Empfangsstaats zu beachten und dürfen die Räumlichkeiten der Mission nicht in einer Weise benutzen, die mit den Aufgaben der Mission unvereinbar sind. Das Ausspähen der Regierung des Empfangsstaates fällt darunter. Falls die Bundesregierung Beweise für ein Abhören aus der -Botschaft hat, kann sie die Vereinigten Staaten vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag wegen Verletzung des Diplomatenrechtsübereinkommens verklagen.

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