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Nach dem Luxemburger Urteil : Wie kann man Google zum Löschen bringen?

Das Google-Urteil hat „eine Bresche geschlagen“ - und trifft alle Suchmachinen Bild: dpa

Auf Google kommt eine Menge Arbeit zu - das steht nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs fest. Was geschieht, wenn sich die amerikanische Zentrale des Suchmaschinenbetreibers weigert, einer Löschung nachzukommen?

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          Auf Google kommt eine Menge Arbeit zu - das steht nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum Löschen von Suchmaschineneinträgen fest. Aber was wird aus der Entscheidung noch folgen? In der Politik und bei Datenschützern überwog ein Triumphgefühl. Denn die Luxemburger Richter hatten entschieden, dass der Betreiber einer Internetsuchmaschine - also Google - bei personenbezogenen Daten, die auf von Dritten veröffentlichten Internetseiten erscheinen, für die von ihm vorgenommene Verarbeitung verantwortlich ist.

          Reinhard Müller
          Verantwortlicher Redakteur für „Zeitgeschehen“ und F.A.Z. Einspruch, zuständig für „Staat und Recht“.

          Jeder Betroffene kann sich seitdem unmittelbar an Google wenden, um unter bestimmten Voraussetzungen die Entfernung des Links zu erwirken. Lehnt Google das ab, kann man sich etwa an die Datenschutzbeauftragten wenden oder gleich vor die nationalen Gerichte ziehen. Es muss dann abgewogen werden zwischen den Grundrechten des Betroffenen und dem Interesse am Zugang zu der Information.

          Der hessische Datenschutzbeauftragte, der Staatsrechtslehrer Michael Ronellenfitsch, nennt das Urteil „fast so bedeutend wie das Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts von 1983“. Die Entscheidung habe eine „enorme Tragweite“, sagte er im Gespräch mit der F.A.Z. Doch gibt Ronellenfitsch auch zu bedenken, dass noch nicht klar sei, wie Betroffene die Löschung von beanstandeten Google-Einträgen durchsetzen können. Zwar haben die Luxemburger Richter deutlich gemacht, dass Google überall dort haftbar gemacht werden kann, wo der Weltkonzern Niederlassungen hat.

          „Es geht um den Null-achtfünfzehn-Nutzer“

          Doch was geschieht, wenn sich die amerikanische Zentrale von Google weigert, einer Löschung nachzukommen? Dann könne der Konzern in Amerika wohl nur mit hohen Strafzahlungen („punitive damages“) unter Druck gesetzt werden. Das setzt freilich voraus, dass die zuständigen amerikanischen Gerichte der europäischen Rechtsauffassung folgen. So kann die Lage entstehen, dass bestimmte Verbindungen zwar in Europa gelöscht werden müssen, über außereuropäische Google-Seiten aber noch gefunden werden dürfen und können. Dagegen sieht der Datenschutzbeauftragte von Schleswig-Holstein, Thilo Weichert, hier kein Problem: „Es geht um den Null-achtfünfzehn-Nutzer in Deutschland und Europa.“ Weichert zeigt sich „begeistert“ von dem Luxemburger Urteil, da es den Nutzern dort recht gebe, wo diese vor deutschen Gerichten schon gescheitert seien.

          Und die politischen Folgen des Urteils? Ronellenfitsch zieht eine wichtige Konsequenz: „Wir brauchen die europäische Datenschutz-Grundverordnung nicht mehr.“ Darüber wird seit langem gerungen. Doch mit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs auf der Grundlage der geltenden Datenschutzrichtlinie von 1995 ist nach Ansicht des hessischen Datenschutzbeauftragten die „Fundamentalaussage“ schon getroffen. Es gebe „keinen Leidensdruck“ mehr für eine Verordnung, die gerade mit jenem „Recht auf Vergessenwerden“ begründet wurde, das die Luxemburger Richter nun unausgesprochen etabliert haben.

          Ronellenfitschs schleswig-holsteinischer Kollege Weichert sieht dagegen immer noch Handlungsdruck, eine europäische Datenschutz-Grundverordnung zu verabschieden. Auf die Datenschützer, die nationalen Kontrollstellen, kommen jedenfalls neue Aufgaben zu - denen sie freilich personell kaum gewachsen sein dürften.

          Und das Bundesverfassungsgericht? Es hat bisher befürchtet, in einem neuen europäischen Datenschutzrecht nur die zweite Geige zu spielen. Ronellenfitsch meint, der Europäische Gerichtshof habe nun gezeigt, dass er den Datenschutz mindestens genauso ernst nehme wie Karlsruhe.

          Es trifft alle Suchmachinen

          Das Google-Urteil gilt freilich nicht nur für Google. Marco Zingler, Sprecher der deutschen Digitalagenturen im Bundesverband Digitale Wirtschaft, nennt das Google-Urteil „sehr politisch“. Es sei auch inkonsistent und habe ein „großes Potential, auch Konkurrenten von Google zu schädigen“. Denn das Urteil trifft natürlich alle Suchmaschinen. „Aber es ist richtig: Wir brauchen ein Recht auf Vergessen“, so Zingler im Gespräch mit der F.A.Z..

          Das Urteil habe immerhin „eine Bresche geschlagen“. Ähnlich wie Ronellenfitsch sieht Zingler Probleme bei der Umsetzung des Urteils. Er fragt sich vor allem, wie das Löschen zahlreicher Einträge funktionieren solle, da Google etwa in Deutschland kaum Mitarbeiter habe. Vor allem aber: Was Google gespeichert hat, wird nicht gelöscht. Das Profilieren von Daten und damit auch von Personen kann somit von Europa aus nicht beeinflusst werden. Es sei deshalb verfrüht, in Triumphgeheul auszubrechen. Doch habe der Europäische Gerichtshof ein „sehr starkes Signal“ ausgesendet.

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