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Kulturgutschutzgesetz : Rechtswidriger Kulturschutz?

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Baselitz-Bild „Blick aus dem Fenster“ in den Kunstsammlungen Chemnitz im vergangenen Juli. Zwei Leihgaben von Baselitz wurden damals aus der Ausstellung genommen. Der aus Sachsen stammende Maler und Bildhauer hatte kurz zuvor im Zuge des umstrittenen Kulturgutschutzgesetzes seine Leihgaben aus deutschen Museen zurückgefordert. Bild: dpa

Der Entwurf der Bundesregierung für ein Kulturgutschutzgesetz geht weiter, als zur Sicherung des öffentlichen Kontrollinteresses erforderlich ist. Auch deshalb ist er unverhältnismäßig und unangemessen. Ein Gastbeitrag.

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          Der Entwurf der Bundesregierung für ein neues Kulturgutschutzgesetz bestimmt wie schon das geltende Gesetz von 1955, dass wegen seiner kulturellen Bedeutung in das einschlägige Verzeichnis eingetragenes nationales Kulturgut nur ausgeführt werden darf, wenn dafür die an strenge Voraussetzungen geknüpfte Genehmigung erteilt worden ist. Nach dem Entwurf soll künftig auch nicht eingetragenes Kulturgut jenseits bestimmter Alters- und Wertschwellen nur mit Genehmigung ausgeführt werden dürfen, damit die Kulturbehörde prüfen kann, ob es in das Verzeichnis nationalen Kulturguts einzutragen ist. Eine Ausfuhr liegt übrigens nicht nur bei einem Verkauf vor, sondern auch bei einem Wohnsitzwechsel ins Ausland.

          Die Genehmigung wird für nicht eingetragenes Kulturgut von der jeweiligen Landeskulturbehörde erteilt, für eingetragenes nationales Kulturgut hingegen von der Bundesbeauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, obwohl die Kulturverwaltung nach dem Grundgesetz ausschließlich Ländersache ist – der Bund hat im Bereich Kultur keine Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen, ausgenommen die Gesetzgebungskompetenz beim Abwanderungsschutz für nationales Kulturgut.

          Verwaltungsautonomie der Länder wird verletzt

          Hier und an anderen Stellen, an denen das Haus Grütters nach dem Entwurf verwaltend tätig werden soll, wird die Verwaltungsautonomie der Länder verletzt. Mehr noch: Wird nicht spätestens durch den Gesetzentwurf eine neue Gemeinschaftsaufgabe Kultur von Bund und Ländern geschaffen – ohne die vom Bundesverfassungsgericht geforderte grundgesetzliche Grundlage, wie es sie zum Beispiel für die Gemeinschaftsaufgabe Wissenschaft, Forschung und Lehre gibt?

          Wie stark das süße Gift des Geldes aus Berlin (das Haus Grütters und die Bundeskulturstiftung) bereits wirkt, zeigt sich an dem halbherzigen Widerspruch der Länder auf das Grüttersche Vorhaben und an dem Schweigen der Museen, obwohl ihnen wegen dieses Vorhabens reihenweise private Dauerleihgaben abgezogen und befristete Leihgaben für Sonderausstellungen verweigert werden.

          Der Gesetzentwurf sieht in beiden Ausfuhrverboten eine zulässige Bestimmung von Inhalt und Schranken des privaten Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Für eine solche Bestimmung hat das Bundesverfassungsgericht in zahlreichen Entscheidungen strenge Anforderungen aufgestellt. Es verlangt einen ausgewogenen Ausgleich zwischen den Belangen der Allgemeinheit und den Individualinteressen. Ersteren kommt besonderes Gewicht zu, wenn Dritte auf die Nutzung des Eigentums angewiesen sind. Den Individualinteressen kommt besonderes Gewicht zu, wenn, wie hier, privates Eigentum durch das Ausfuhrverbot einer Verfügungsbeschränkung unterworfen wird. Denn das Recht, über sein Eigentum autonom verfügen zu können, ist Ausdruck der grundgesetzlich geschützten Handlungsfreiheit des Eigentümers.

          Schließlich muss der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eingehalten werden, das heißt, die Inhalts und Schrankenbestimmung muss zur Erreichung der verfolgten Gemeinwohlziele geeignet sein; sie darf nicht weiter gehen als erforderlich (das heißt, es darf keine mildere Regelung geben) und sie darf in der Abwägung der gegenläufigen Interessen für den Eigentümer nicht unangemessen sein (so genannte Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne).

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