Klima-Nationalismus ist keine Lösung
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Professor Dr. Dietrich Murswiek, emeritierter Staats- und Umweltrechtler an der Universität Freiburg. Bild: EPA
Das Grundgesetz schreibt keine bestimmte Politik vor. Über die verfassungsrechtlichen Anforderungen an den Klimaschutz und offene Entscheidungsspielräume.
Nach Artikel 20a des Grundgesetzes sind alle Staatsorgane verpflichtet, die natürlichen Lebensgrundlagen auch in Verantwortung für die künftigen Generationen zu schützen. Die staatliche Pflicht zum Umweltschutz besteht unabhängig davon, wodurch die Umweltgüter gefährdet werden. Wenn es zutrifft, dass die Emission von CO2 und anderen Treibhausgasen wesentlich für den Klimawandel verantwortlich ist, und wenn es außerdem zutrifft, dass wegen des Klimawandels schwerwiegende Beeinträchtigungen der natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen zu erwarten sind, dann ist eine Klimapolitik, die dem entgegenwirkt, nach geltendem Verfassungsrecht verbindliche Pflicht der Staatsorgane. Christian Calliess hat zutreffend gezeigt, dass ein Sicherheitsabstand zu „Kipppunkten“ eingehalten werden muss, an denen Umweltbelastungen in katastrophale Folgen umschlagen („Abstand halten!“, F.A.Z., Staat und Recht vom 12. September 2019, S. 6).
Verfassungsrechtliche Verpflichtungen?
Es gibt Klimaforscher, die meinen, für Treibhausgasemissionen ließe sich eine „planetare Belastungsgrenze“ definieren und wir stünden kurz davor, sie zu überschreiten. Die Auffassung, diese Belastungsgrenze stelle eine „absolute Grenze“ für politische Gestaltungsspielräume und Abwägungen deutscher Staatsorgane dar, und deshalb verpflichte das Grundgesetz dazu, den Ausstieg aus der Kohlenstoffwirtschaft sofort und um jeden Preis zu bewirken, ist zwar auf den ersten Blick naheliegend – aber sie ist falsch. Wer so argumentiert, verkennt, dass die befürchtete „Klimakatastrophe“ ein globales Problem ist, dessen Ursachen nur zu einem sehr geringen Anteil in Deutschland mit seinen zwei Prozent Emissionsanteil liegen. Wozu die deutschen Staatsorgane verfassungsrechtlich verpflichtet sind, hängt auch davon ab, was ihre Maßnahmen faktisch bewirken können. Abstände zu ökologischen Belastungsgrenzen können durch umweltpolitische Entscheidungen der Bundesregierung eingehalten werden, wenn es etwa um die Reinhaltung der deutschen Binnengewässer geht. Gegenstand des Klimaschutzes aber sind die globalen Treibhausgasemissionen, und es ist unmöglich, durch Maßnahmen in Deutschland den Anstieg der Erdtemperatur aufzuhalten oder auch nur nennenswert zu verlangsamen. Ein „kohärentes und rechtsverbindliches Schutzkonzept“, mit dem – wie Calliess gefordert hat – sichergestellt wird, dass die „planetaren Belastungsgrenzen“ nicht überschritten werden, könnte nur eine Weltregierung aufstellen oder eine Staatenkonferenz beschließen.
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