Gastbeitrag : Blowin’ in the Wind - auch Israel verstößt seit langem gegen Völkerrecht
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Der Gaza-Krieg hat einmal mehr die dringende Notwendigkeit einer politischen Lösung des palästinensisch-israelischen Konflikts auf dem Verhandlungsweg herbeizuführen, vorgeführt.
Der Gaza-Krieg der letzten Wochen hat einmal mehr die dringende Notwendigkeit einer politischen Lösung des palästinensisch-israelischen Konflikts auf dem Verhandlungsweg hin zu einer Zwei-Staaten-Lösung vor Augen geführt. Dabei zeigt zugleich die erst vor wenigen Tagen von Israel angekündigte und auch von der Bundesregierung zutreffend als völkerrechtswidrig qualifizierte Beschlagnahme von 400 Hektar Land im Westjordanland zum Zwecke der Erweiterung einer israelischen Siedlung, dass das andauernde israelische Siedlungsprogramm mit ein wesentliches Hindernis für ernsthafte Friedensverhandlungen und eine dauerhafte Zwei-Staaten-Lösung darstellt. Vor diesem Hintergrund gewinnt das vor zehn Jahren erstattete Rechtsgutachten des Internationalen Gerichtshofes (IGH) zu den israelischen Sperranlagen in den besetzten palästinensischen Gebieten wieder an Bedeutung - Grund genug, Bilanz zu ziehen.
Bis heute sind nicht unerhebliche Teile der besetzten palästinensischen Gebiete des Westjordanlandes durch israelische Sperranlagen vom übrigen Teil Palästinas abgetrennt. Dabei verlaufen diese Sperranlagen, die nicht selten, zumal in städtischen Bereichen, den Charakter einer Sperrmauer besitzen, nur zu etwa 20 Prozent auf der Waffenstillstandslinie des Jahres 1948, der sogenannten „Grünen Linie“. Stattdessen reichen die Anlagen teilweise bis zu 20 Kilometer auf von Israel besetztes palästinensisches Gebiet hinein. Als Folge liegen fast 10 Prozent des Gebietes des Westjordanlandes westlich der israelischen Sperranlagen, und es leben etwa 50 000 Palästinenser unter vollständiger israelischer Kontrolle. In diesem Teil der besetzten palästinensischen Gebiete befinden sich zudem die allermeisten der seit dem Jahr 1967 völkerrechtswidrig errichteten israelischen Siedlungen.
Andererseits hatte der Internationale Gerichtshof schon 2004 in seinem eingangs erwähnten Rechtsgutachten die israelischen Sperranlagen in ihrem konkreten Verlauf, soweit sie also jenseits israelischen Staatsgebietes verlaufen, als völkerrechtswidrig qualifiziert und hatte zugleich die internationale Gemeinschaft als verpflichtet angesehen, dafür Sorge zu tragen, diesen völkerrechtswidrigen Zustand zu beenden.
Bis heute bildet die Ansiedlung israelischer Staatsangehöriger in den besetzten palästinensischen Gebieten, wie erst vor kurzem wieder sowohl vom Rat der EU als auch etwa vom amerikanischen Außenministerium betont wurde, eines der wesentlichen Hindernisse für den Fortgang des palästinensisch-israelischen Friedensprozesses. Neben diesen politischen Parametern sind bei der Beurteilung dieser Fragen aber auch eminente völkerrechtliche Fragen von erheblicher Bedeutung. Vor diesem Hintergrund hatte denn auch die Vollversammlung der Vereinten Nationen im Jahr 2003 den Internationalen Gerichtshof ersucht, ein Rechtsgutachten zu den völkerrechtlichen Konsequenzen des Baus der israelischen Sperranlagen in den palästinensischen Gebieten zu erstatten.
Bis zu dem Gutachtenverfahren des Jahres 2010 über die Unabhängigkeit des Kosovos war das Gutachtenverfahren zur israelischen Sperrmauer dasjenige, an dem sich die meisten Staaten überhaupt sowie Palästina, beteiligt hatten. Anders als Palästina hatte Israel in dem Verfahren zur Rechtmäßigkeit der Sperranlagen vor dem IGH keine Stellung bezogen. Vielmehr beschränkte sich Israel darauf, die Zulässigkeit des Verfahrens vor dem Gerichtshof zu bestreiten. Immerhin betonte Israel die Gründe für deren Bau, nämlich die Verhinderung von Terroranschlägen in Israel selbst, aber auch gegenüber israelischen Siedlungen im Westjordanland.