Doping und Strafrecht : Schneller kaputt
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Bild: Greser & Lenz
Der Sport steht unter dem Zwang der Gesellschaft. Das Strafrecht auszuweiten, um dopende Sportler zu belangen, ist scheinheilig.
Doping-Beichten, Betrugsvorwürfe, Wettskandale - das lässt viele reflexartig nach der vermeintlichen Allzweckwaffe staatlichen Strafrechts rufen. Wissenschaftler fordern, der Staat müsse Doper bestrafen. In einem Anti-Doping-Gesetz soll das „Eigendoping“ mit dem Ziel eines Vermögensvorteils in sportlichen Wettkämpfen strafbar werden. Sonst der Terrorabwehr dienende Verfolgungsmaßnahmen - Durchsuchung, Beschlagnahme, Telefonüberwachung, Untersuchungshaft, Kronzeugenregelung - sollen sich gegen dopende Sportler richten. Über sie will man in abgeschottete Strukturen im Hintergrund dringen, illegale Märkte austrocknen. Die Grünen haben den Vorschlag übernommen. Bayerns Gesetzesantrag geht in gewohntem Vertrauen auf Abschreckungs-Prävention noch weiter: Jeglicher Besitz und Einsatz verbotener Stoffe oder Methoden, ja schon der Versuch von „Eigendoping“ seien zu kriminalisieren.
Aber was kann Strafrecht tatsächlich leisten? Wird womöglich das Gegenteil des Gewünschten bewirkt? Und was muss der Sport selbst leisten? Um das zu beurteilen, müssen der heutige Spitzensport und dessen staatliche Förderung gründlich überprüft werden. Wir müssen uns von Illusionen und doppelter Moral befreien. Umdenken in der Sportpolitik tut not.
Maxime der Leistungssteigerung
Spitzen- und Leistungssport unterliegen prägenden gesellschaftlichen Zwängen. Diese lassen Doping als unausweichlich, gegen Vermeidungsmaßnahmen weitgehend immun erscheinen. Hochleistungssport fügt sich der Maxime der Leistungssteigerung. Man greift allenthalben zu Arznei- und Suchtmitteln, um Leistungen zu verbessern, physische oder psychische Schwächen zu beseitigen. Unter ADHS leidende Schüler erhalten Ritalin. Viele Schüler und Studierende bereiten sich mit „Brain Boosters“ auf Prüfungen vor.
In beruflichen Bewerbungsgesprächen, bei Stressüberforderung von Ärzten oder Politikern, in der Rock- und Popmusik, bei Schönheitswettbewerben, in der Prostitution bedient man sich künstlicher Hilfsmittel. Sogar Breiten- und Behindertensport sind betroffen. Kunden von Fitness-Studios setzen anabole Steroide ein.
Schon antike Olympiaden kannten Leistungsdruck und Manipulationen, um Erwartungen der Öffentlichkeit und rivalisierenden Städte gerecht zu werden. Vielleicht ist das olympische „Citius, altius, fortius“ eine anthropologische Wettkampf-Konstante. Nur Illusionäre glauben, man könne immer neue Rekorde aufstellen, ohne künstlich nachzuhelfen.
Erst recht wächst der Druck auf Spitzensportler, weil ihnen bei ausbleibender Höchstleistung Fördermittel entzogen werden. Die Hochspringerin Ariane Friedrich sagte dazu: „Stimmt die Leistung nicht, sind die Gründe dafür zweitrangig. So wird eben ganz schnell gekürzt. Leistungssport lebt vom permanenten Leistungsdruck.“ Radsportler Stefan Schumacher: „Ich hatte niemals den Wunsch, zu dopen. Ich wollte nur nicht gegenüber den anderen nachstehen. ... Selbst wenn ich gesundheitlich angeschlagen war, wurde ich angetrieben, vorn im Feld zu fahren oder Tempo zu machen.“