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Gastautor:Bundeswehr in Syrien : Im Auge des Krieges

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Bild: Greser & Lenz

Der Einsatz der Bundeswehr in Syrien ist verfassungskonform - es geht nämlich um Verteidigung. Gleichwohl sollte das Grundgesetz deutlicher gefasst werden.

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          Die Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte erfolgt im Rahmen und nach den Regeln eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit nach Artikel 24 Absatz 2 des Grundgesetzes.“ Dieser Satz steht am Anfang der verfassungsrechtlichen Begründung des deutschen Syrien-Einsatzes durch die Bundesregierung. Aber er überzeugt nicht. Richtig ist natürlich, dass die Satzung der Vereinten Nationen ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit enthält. Doch der vom Deutschen Bundestag am vergangenen Freitag beschlossene Einsatz deutscher Streitkräfte erfolgt nicht im Rahmen und nach den Regeln dieses Systems. Insbesondere hat der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen den Gewalteinsatz gegen den „Islamischen Staat“ in seiner jüngsten Resolution 2249 nicht autorisiert.

          Stattdessen ist den Verfassern dieser Resolution das präzedenzlose Kunststück konstruktiver Ambiguität gelungen, die Mitgliedstaaten zur militärischen Bekämpfung des IS in Syrien - nach vorzugswürdiger Lesart: ohne rechtliche Bindungswirkung - aufzufordern, ohne zu den beiden konkurrierenden völkerrechtlichen Begründungen für ein solches Vorgehen Stellung zu beziehen. Wenn die Bundesregierung schreibt, die Resolution „umfasse“ das kollektive Selbstverteidigungsrecht, so ist das jedenfalls missverständlich. Denn der Sicherheitsrat hat das Selbstverteidigungsrecht nach den Anschlägen in Paris vom 13. November 2015 anders als nach dem bewaffneten Angriff auf die Vereinigten Staaten am 11. September 2001 nicht einmal in der Präambel seines Resolutionstextes erwähnt. Stattdessen verlangt die Resolution auf russischen Wunsch hin ausdrücklich, dass der Gewalteinsatz gegen den IS „unter Einhaltung des Völkerrechts, insbesondere der Charta der Vereinten Nationen“ geführt werde. Russland, das sich für seinen Gewalteinsatz in Syrien auf Assads Einladung beruft, muss sich deshalb durch die Resolution nicht daran gehindert sehen, die Inanspruchnahme des kollektiven Selbstverteidigungsrechts durch die Vereinigten Staaten und ihre Partner weiterhin als völkerrechtswidrig zu kritisieren.

          Die verfassungsrechtliche Position der Bundesregierung wäre indessen selbst dann nicht tragfähig, wenn der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ausdrücklich an die Mitgliedstaaten appelliert hätte, gestützt auf das kollektive Selbstverteidigungsrecht zugunsten des Iraks und Frankreichs tätig zu werden. Denn auch eine solche Aufforderung hätte lediglich darauf gezielt, dass die Staaten außerhalb des Rahmens des in der Satzung der Vereinten Nationen enthaltenen Systems kollektiver Sicherheit tätig werden. Die Bundesregierung hat diese Problematik vielleicht gespürt und deutet in ihrem Antrag auch die Möglichkeit an, die Europäische Union sei das hier maßgebliche kollektive Sicherheitssystem. Das Bundesverfassungsgericht versteht den Begriff „System gegenseitiger kollektiver Sicherheit“ seit jeher weit und bezieht nach außen gerichtete Verteidigungsbündnisse wie die Nato ein. Der in Artikel 42 Absatz 7 des Vertrags über die Europäische Union geregelte europäische Bündnisfall ist dem Nato-Bündnisfall nachempfunden. Auf der Grundlage der verfassungsrichterlichen Begriffsbildung ist die Einordnung der Europäischen Union als System gegenseitiger kollektiver Sicherheit also grundsätzlich auch insoweit möglich, als diese die Gestalt eines Verteidigungsbündnisses annimmt.

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