Anonyme Wissenschaft : Freiheit - Wohin bist du entschwunden?
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In der neuesten Ausgabe von „myops“ ist ein Artikel erschienen, der sich kritisch mit einer Schrift des Staatsrechtlers Christoph Möllers auseinandersetzt. Eigentlich nichts besonderes - geschähe das nicht im Schutze eines Pseudonyms.
Gibt es sie noch, die Freiheit der Wissenschaft? Dazu sollte gehören, dass eine kritische fachliche Auseinandersetzung unter vollem Namen geführt wird - und dass ein wissenschaftlicher Streit nicht zu beruflichen Nachteilen führt. Sollte man meinen. In der neuesten Ausgabe von „myops“ ist nun ein Beitrag von einem Herrn David Thiele erschienen: „Leviathans Erbe. Anmerkungen zu einer neuen Schrift von Christoph Möllers.“ Wer wissen will, wer der Autor ist, erfährt am Ende des Beitrags von der Redaktion, es handele sich um ein Pseudonym, denn: „Der Inhaber des (öffentlich-rechtlichen) Lehrstuhls habe dem Verfasser ,dringend davon abgeraten, die Besprechung unter meinem eigenen Namen zu veröffentlichen, mich aber sehr ermutigt, sie unter einem Pseudonym bei Ihnen einzureichen'.“

Verantwortlicher Redakteur für „Zeitgeschehen“ und F.A.Z. Einspruch, zuständig für „Staat und Recht“.
Keine Schmähschrift, sondern eine Auseinandersetzung
Um was für einen Sprengsatz handelt es sich? Jedenfalls um keine beleidigende Schmähschrift, sondern um eine kritische Auseinandersetzung mit ebenjenem noch keine 40 Jahre alten, bald Berliner Staatsrechtslehrer Möllers, den der anonyme Autor selbst als, „wie jeder weiß, die Leitfigur der jüngeren Staatsrechtslehrergeneration“ bezeichnet. Mit ihm und seinen Anhängern will es sich der Rezensent offenbar nicht verscherzen.
Möllers sei derart darauf bedacht, Kontinuitäten zu entlarven, „dass ihm beachtliche sachliche Fehler unterlaufen“. Davon werden einige aufgezählt. Außerdem fragt er, ob die von Möllers mit großem Aufwand geführte Attacke gegen den Staatsbegriff nicht auch die beiden anderen „Großkategorien treffen müsste, die bei Möllers sakrosankt und methodischen Zweifeln enthoben sind: Verfassung und Demokratie“.
Anonymität statt offenes Visier
So weit, so interessant, so harmlos. Was aber zeigt es für den Zustand der Zunft, dass ein offenbar lehrstuhlvertretender Nachwuchswissenschaftler und sein Mentor sich nicht trauen, mit offenem Visier zu streiten, dass anonyme Artikel veröffentlicht werden? Oder ist es wirklich so, dass ein derartiger Artikel einem Berufsverbot gleichkommt? Ein tragischer Fall.