Gastbeitrag : Oppermann: Kontrolle über Migrationsprozese zurückgewinnen
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Umdenken: Welche Strategien führen aus der Migrationskrise? Bild: dpa
Im Mittelmeer gerettete Flüchtlinge müssen zurückgebracht und zunächst in Nordafrika versorgt und betreut werden. Legale Migration braucht klare Regeln. Wer kommt, soll sich anstrengen. Ein Gastbeitrag.
Bei ihrem Sondergipfel auf Malta haben die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union keinen Durchbruch in der Flüchtlingspolitik erreicht. Einigen konnte man sich lediglich auf eine engere Zusammenarbeit mit dem Haupttransitland Libyen. Eine Situation wie im Jahr 2015 soll damit verhindert werden. So weit, so gut. Aber eine verantwortungsbewusste Verteilung der Schutzsuchenden und die Bekämpfung der Fluchtursachen wurden nicht einmal angesprochen.
Doch wie auch soll Frau Merkel innerhalb der EU Druck ausüben? Noch immer lähmt der Dauerstreit zwischen CDU und CSU um eine Obergrenze die Politik. Horst Seehofer forciert den Streit. Die Obergrenze nutzt er als eine Art Chiffre. Sie soll rechtspopulistischen Wählern signalisieren: „Ich habe verstanden.“ Und Angela Merkel – hält dagegen. Sie weiß, dass eine Obergrenze rechtlich nicht durchsetzbar ist. Ergebnis: Die Union ist in Sachen Migrationspolitik handlungsunfähig.
Kontrolle über Migrationsprozesse zurückgewinnen
Dabei wäre es jetzt an der Zeit, die Kontrolle über Migrationsprozesse zurückzugewinnen. Auch wenn in Deutschland nicht mehr so viele Flüchtlinge ankommen, gelöst ist die Flüchtlingskrise nicht. In Syrien ist der Bürgerkrieg noch immer nicht beendet. In Nigeria fliehen Millionen Menschen vor dem Hungertod. Und die Türkei droht mit Aufkündigung des Flüchtlingsabkommens. Was wir deshalb brauchen, ist eine Politik, die nicht nur – wie auch Frau Merkel – auf die jeweils akute Situation reagiert, sondern einen Plan, der die unterschiedlichen Facetten der Migration beantwortet.
Was muss Deutschland, was muss Europa tun für eine kohärente Flüchtlings- und Einwanderungspolitik? Aus meiner Sicht sind es fünf zentrale Punkte: Wir müssen nicht nur die Außengrenzen Europas effektiv sichern. Vor allem müssen wir die Fluchtursachen in den Heimatländern bekämpfen, daneben für eine geordnete Aufnahme sorgen, dann Flüchtlinge mit Bleiberecht schneller integrieren und Abgelehnte konsequenter zurückführen. Und schließlich brauchen wir ein Einwanderungsgesetz, das transparent und verständlich darstellt, wer aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland einwandern kann und wer nicht. Alle Maßnahmen müssen wir gleichzeitig in Angriff nehmen.
Plan von Malta
Der Plan von Malta setzt da an, wo Menschen schon auf der Flucht sind. Das kann aber erst der zweite Punkt sein. Unser erstes Ziel muss lauten, dass Menschen gar nicht erst zu Flüchtlingen werden. Wer zu Hause ein gutes Leben hat, begibt sich nicht auf die Flucht. Es geht dabei um vieles: um Sicherheit, Arbeitsplätze, Bildung, Nahrung, freiheitliche Grundrechte und Werte. Kurz: um mehr Entwicklungshilfe. Die EU hatte sich mal darauf geeinigt, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens in Entwicklungshilfe zu investieren. Dieses Ziel haben bis dato fünf Länder erreicht, Deutschland ist nicht darunter, wir lagen 2015 bei 0,5 Prozent. Das darf nicht so bleiben.
Wir haben bereits kluge und erfolgreiche Programme, sogar aus dem Entwicklungsministerium, wie „Cash for Work“ – also Bargeld für Arbeit. Es setzt dort an, wohin die meisten syrischen Kriegsflüchtlinge geflohen sind: in den Nachbarländern Türkei, Libanon und Jordanien. Teilnehmen dürfen Flüchtlinge genauso wie Bewohner der aufnehmenden Gemeinden. Das fördert den sozialen Frieden, schafft Infrastrukturen und unterstützt direkt die Menschen in der Region. Allein 2016 wurden damit 56.000 Jobs geschaffen – und zwar zu einem Zehntel der Kosten, die wir für die Menschen in Deutschland erbringen müssten. Mit anderen Worten: Für das, was ein Flüchtling in Deutschland kostet, können wir im Nordirak zehn Familien in Lohn und Brot bringen. Solche Programme muss es auch für die Region Nordafrika geben.