
Sicherheits-Kommentar : Warum Deutschland französischer werden muss
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Europäische Partnerinnen: Florence Parly und Ursula von der Leyen während einer Nato-Konferenz in Brüssel Bild: Reuters
So sehr Frankreich und Deutschland Einigkeit demonstrieren: Ihre Sicherheitsagenden entscheiden sich grundlegend. Das muss sich dringend ändern.
Vielleicht sollte man den Gegensatz nicht größer machen, als er ist und, vor allem, wie ihn die beteiligten Akteure selbst sehen. Zumal die Verteidigungsministerinnen Frankreichs und Deutschlands sich auf der Münchner Sicherheitskonferenz alle Mühe gaben, die europäischen Gemeinsamkeiten und die bilaterale Komplementarität hervorzuheben. Dennoch setzten sie unterschiedliche Akzente.
Florence Parly ließ ihre Zuhörer nicht im Unklaren darüber, dass europäische Verteidigung zu Hause beginnt; und so verkündete sie ebenso selbstbewusst wie selbstverständlich, dass die französischen Ausgaben für Verteidigung bis zum Jahr 2025 auf das im Kreis der Nato-Partner verabredete Ziel von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukt steigern würden. Ursula von der Leyen, die geschäftsführende Bundesverteidigungsministerin, lobte zwar die vor zwei Jahren eingeleitete Trendwende bei den Ausgaben für die Bundeswehr und stellte auch weitere Steigerungen sowie Investitionen im Verteidigungssektor in Aussicht. Aber auf eine Zahl wollte sie sich nicht festlegen, ganz so wie im Koalitionsvertrag von Union und SPD.
In der Praxis bedeutet das nichts anderes, als dass Deutschland weiterhin hinterherhinken wird, allen Bekräftigungen des Gegenteils zum Trotz, und zwar auch deshalb, weil die Bundeswehr in den vergangenen Jahrzehnten regelrecht kaputtgespart worden ist. Die zahlreichen Auslandseinsätze legen die Mängel schonungslos offen.
Falscher deutscher Glaube
Es ist selbstverständlich nichts dagegen einzuwenden, dass die künftige Koalitionsregierung, so sie denn zustande kommt, Sicherheit und Entwicklung nicht als Gegensätze auffasst, sondern als zwei Seiten einer Medaille, etwa im Kampf gegen den islamistischen Terrorismus; dass sie folglich auch für Entwicklungshilfe mehr Geld zur Verfügung stellen will. Aber wenn es um größere europäische Verteidigungsanstrengungen geht, die zweifellos notwendig sind, dann schimmerte der alte deutsche Glaube an die Kraft von Institutionen in Europa auf. Die Französin Parly war da realistischer: Der Erfolg eines Europas der Verteidigung kommt nicht aus Institutionen, sondern er entsteht in dem Willen zu gemeinsamen Einsätzen und den Erfahrungen, die dabei gesammelt werden. Dann kann sogar etwas wie eine gemeinsame strategische Kultur erwachsen.
Dieser Realismus ist richtig, denn er lenkt den Blick auf das Verhältnis von Worten und Taten und, eben, auf die Wirklichkeit. Wenn es stimmt und es stimmt, dass sich die Europäer nicht alleine verteidigen können – somit auch künftig auf sicherheitspolitische Garantien der Nordamerikaner angewiesen sind –, und wenn gleichzeitig immer mehr Aufgaben an sie herangetragen werden und sie selbst mehr militärisches Gewicht in die Waagschale werfen wollen (von der Leyen) und müssen, dann ist dieser Schluss zwingend: Sicherheit und Verteidigung müssen viel mehr als bisher ins Zentrum der Politik gerückt werden; und das muss sich dann auch in haushaltspolitischen Prioritäten ausdrücken. Gerade in Deutschland, wo das innenpolitisch nicht gerade populär ist.
Und wo ein Satz wie der folgende keine Applausstürme entfachen würde: Frankreich wird zur Stelle sein für die Konflikte von heute, morgen und übermorgen, verkündete Verteidigungsministerin Parly in München. Spricht daraus die Hybris einer Regierung, auf die sich gerade die Augen so vieler richten, während Berlin es bei „konstruktiver Zurückhaltung“ belässt? Vielleicht. Außenminister Gabriel jedenfalls sagte neulich, dass Deutschland sicherheitspolitisch französischer werden müsse (und Frankreich in der Finanzpolitik deutscher). Da hat er zweifellos recht. Leicht wird das nicht werden. Denn es verlangt nicht weniger als einen Mentalitätswandel.
