https://www.faz.net/aktuell/politik/sicherheitskonferenz/sicherheitskonferenz-kein-politisches-tauwetter-in-muenchen-16043596.html

Münchner Sicherheitskonferenz : Beten könnt ihr später

Verteidigungsministerin von der Leyen sagte Amerika abermals steigende Rüstungszahlen zu. Bild: AFP

Bei der Münchner Sicherheitskonferenz wird deutlich, wie schlecht es um die internationale Zusammenarbeit steht: Dieses Mal werden nicht alte Freundschaften aufgewärmt, sondern Vereisungen sichtbar.

          4 Min.

          Von politischem Tauwetter ist im frühlingswarmen München nichts zu spüren. In den vergangenen Jahren wurden in den Sälen des Bayerischen Hofs, wo sich im Februar Sicherheitspolitiker aus aller Welt treffen, zuweilen alte Freundschaften aufgewärmt. Diesmal ist es anders: Die Vereisungen der internationalen Politik sind unübersehbar. So braucht der britische Verteidigungsminister Gavin Williamson nur wenige Sekunden Redeanlauf, um die russische Regierung als „Abenteurer“ und Mörder zu attackieren. Weltkonflikte, vom Jemen über Syrien, vom chinesischen Meer bis zur Ostukraine beschäftigen die Regierungschefs, die Außen- und die Verteidigungsminister aus mehr als fünfzig Staaten.

          Peter Carstens
          Politischer Korrespondent in Berlin

          Doch die meisten Gesten und Debatten ranken sich um die neue Schlüsselfrage des Westens: Wo steht Amerika? Und wenn Amerika nicht mehr verlässlich an der Seite der Europäer steht, was bedeutet der schöne Begriff „strategische Autonomie“ für die Europäer konkret? Eine eigenständige Verteidigung, die notfalls ohne den alles überragenden Prozent-Beitrag Amerikas auskommt?

          Mit einem ungewöhnlichen Bekenntnis eröffnete der Cheforganisator der Konferenz Wolfgang Ischinger die diesjährige Tagung: Statt seines gewohnten dunkelblauen Anzugs trug der 72 Jahre alte Diplomat einen leuchtend blauen Kapuzenpullover mit aufgedruckten Europa-Sternen.

          Der MSC-Chef Wolfgang Ischinger hat bei seiner Auftaktrede im blauen Kapuzenpulli mit EU-Flagge Farbe bekannt.
          Der MSC-Chef Wolfgang Ischinger hat bei seiner Auftaktrede im blauen Kapuzenpulli mit EU-Flagge Farbe bekannt. : Bild: AFP

          Ischinger richtete Mahnungen an die Teilnehmer: „Viele kommen nicht mehr nach München, um miteinander zu sprechen, sondern übereinander.“ Das sei ganz falsch. Die Welt sei in Gefahr: „Es reicht nicht, einfach rumzusitzen, während die Institutionen erodieren. Es ist nicht genug, einfach abzuwarten und zu beten, dass das Schlimmste nicht eintreten wird.“

          Amerika ist nicht nur Trump

          Konflikte hat es zwischen Europäern und Amerikanern immer wieder gegeben, 1956 bei der Suezkrise, als Amerika Franzosen und Briten stoppte, Anfang der achtziger Jahre über die Nato-Nachrüstung, und auch über das Für und Wider des Irakkriegs 2003 war heftig gestritten worden. Es war aber stets ein Meinungsstreit innerhalb eines Lagers. Doch jetzt steht dieses Lager selbst zur Debatte: Das größte Problem für die Nato sei Donald Trump, so formulieren es zwei ehemalige amerikanische Nato-Botschafter am Morgen.

          Trumps persönliche Attacken auf Angela Merkel, Emmanuel Macron, Theresa May und Kanadas Premierminister Justin Trudeau stünden in heftigem Gegensatz zu Umarmungen mit Ungarns Victor Orbán oder Liebesgrüßen an Moskau. Statt die Demokratien zu stärken, diskreditiere Trump sie als Wettbewerber und Gegner, Außenminister Mike Pompeo schwärme derweil in Brüssel von der „Bedeutung des Nationalismus“.

          Öffnen
          FAZ.NET-Serie Schneller Schlau : Das neue Wettrüsten Bild: F.A.Z.

          Vielleicht war es da eine durchaus gezielte Geste, dass Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen besonders herzlich die frühere amerikanische Außenministerin Madeleine Albright begrüßte, eine demokratische Politikerin aus der Epoche der Verlässlichkeit. Amerika ist auch nicht bloß Trump. Mehr als ein Dutzend Senatoren und Kongress-Abgeordnete sind nach München gereist, um das zu demonstrieren.

          Weitere Themen

          Geberkonferenz für Türkei und Syrien Video-Seite öffnen

          Erdbebenkatastrophe : Geberkonferenz für Türkei und Syrien

          In Brüssel findet eine internationale Geberkonferenz von der Europäischen Union und den Vereinten Nationen statt. Die akute Notlage nach den Erdbeben und strukturelle Defizite sollen durch Finanzhilfen gelindert werden.

          Topmeldungen

          Hier wird der Hunger der Industrie gestillt: der Sächsische Tagebau Nochten.

          Bergbau in der Lausitz : Kraftwerke, die nach Kohle schreien

          Der Kohleausstieg ist beschlossen, aber die Braunkohlekraftwerke in der Lausitz haben plötzlich Hochkonjunktur. Die Mitarbeiter wollen vor allem wissen, wie es weitergeht.
          Viele bunte Turnschuhe: Von 2013 bis 2022 hat der Rapper Kanye West für Adidas Sneaker entworfen.

          Adidas Yeezy : Wie wird man fünf Millionen Paar Schuhe los?

          Die Zusammenarbeit von Adidas mit dem Rapper Kanye West endete im Skandal. Jetzt müssen die Yeezy-Sneaker weg, und das Unternehmen will daran nichts verdienen. Gar nicht so einfach.
          Fingerzeig: Elon Musk, hier fotografiert bei einem Besuch der Tesla-Fabrik In Grünheide.

          Mit Kacke-Emoji : Was Elon Musk für die Presse übrig hat

          Elon Musk hat einen derben Humor. Doch schauen wir auf seinen Umgang mit Twitter und der demokratischen Öffentlichkeit, ist schnell Schluss mit der Witzischkeit. Eine Anfrage an press@twitter.com.

          Newsletter

          Immer auf dem Laufenden Sie haben Post! Die wichtigsten Nachrichten direkt in Ihre Mailbox. Sie können bis zu 5 Newsletter gleichzeitig auswählen Es ist ein Fehler aufgetreten. Bitte versuchen Sie es erneut.
          Vielen Dank für Ihr Interesse an den F.A.Z.-Newslettern. Sie erhalten in wenigen Minuten eine E-Mail, um Ihre Newsletterbestellung zu bestätigen.