Münchner Sicherheitskonferenz : Beten könnt ihr später
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Verteidigungsministerin von der Leyen sagte Amerika abermals steigende Rüstungszahlen zu. Bild: AFP
Bei der Münchner Sicherheitskonferenz wird deutlich, wie schlecht es um die internationale Zusammenarbeit steht: Dieses Mal werden nicht alte Freundschaften aufgewärmt, sondern Vereisungen sichtbar.
Von politischem Tauwetter ist im frühlingswarmen München nichts zu spüren. In den vergangenen Jahren wurden in den Sälen des Bayerischen Hofs, wo sich im Februar Sicherheitspolitiker aus aller Welt treffen, zuweilen alte Freundschaften aufgewärmt. Diesmal ist es anders: Die Vereisungen der internationalen Politik sind unübersehbar. So braucht der britische Verteidigungsminister Gavin Williamson nur wenige Sekunden Redeanlauf, um die russische Regierung als „Abenteurer“ und Mörder zu attackieren. Weltkonflikte, vom Jemen über Syrien, vom chinesischen Meer bis zur Ostukraine beschäftigen die Regierungschefs, die Außen- und die Verteidigungsminister aus mehr als fünfzig Staaten.
Doch die meisten Gesten und Debatten ranken sich um die neue Schlüsselfrage des Westens: Wo steht Amerika? Und wenn Amerika nicht mehr verlässlich an der Seite der Europäer steht, was bedeutet der schöne Begriff „strategische Autonomie“ für die Europäer konkret? Eine eigenständige Verteidigung, die notfalls ohne den alles überragenden Prozent-Beitrag Amerikas auskommt?
Mit einem ungewöhnlichen Bekenntnis eröffnete der Cheforganisator der Konferenz Wolfgang Ischinger die diesjährige Tagung: Statt seines gewohnten dunkelblauen Anzugs trug der 72 Jahre alte Diplomat einen leuchtend blauen Kapuzenpullover mit aufgedruckten Europa-Sternen.
Ischinger richtete Mahnungen an die Teilnehmer: „Viele kommen nicht mehr nach München, um miteinander zu sprechen, sondern übereinander.“ Das sei ganz falsch. Die Welt sei in Gefahr: „Es reicht nicht, einfach rumzusitzen, während die Institutionen erodieren. Es ist nicht genug, einfach abzuwarten und zu beten, dass das Schlimmste nicht eintreten wird.“
Amerika ist nicht nur Trump
Konflikte hat es zwischen Europäern und Amerikanern immer wieder gegeben, 1956 bei der Suezkrise, als Amerika Franzosen und Briten stoppte, Anfang der achtziger Jahre über die Nato-Nachrüstung, und auch über das Für und Wider des Irakkriegs 2003 war heftig gestritten worden. Es war aber stets ein Meinungsstreit innerhalb eines Lagers. Doch jetzt steht dieses Lager selbst zur Debatte: Das größte Problem für die Nato sei Donald Trump, so formulieren es zwei ehemalige amerikanische Nato-Botschafter am Morgen.
Trumps persönliche Attacken auf Angela Merkel, Emmanuel Macron, Theresa May und Kanadas Premierminister Justin Trudeau stünden in heftigem Gegensatz zu Umarmungen mit Ungarns Victor Orbán oder Liebesgrüßen an Moskau. Statt die Demokratien zu stärken, diskreditiere Trump sie als Wettbewerber und Gegner, Außenminister Mike Pompeo schwärme derweil in Brüssel von der „Bedeutung des Nationalismus“.
Vielleicht war es da eine durchaus gezielte Geste, dass Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen besonders herzlich die frühere amerikanische Außenministerin Madeleine Albright begrüßte, eine demokratische Politikerin aus der Epoche der Verlässlichkeit. Amerika ist auch nicht bloß Trump. Mehr als ein Dutzend Senatoren und Kongress-Abgeordnete sind nach München gereist, um das zu demonstrieren.