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Erosion des Westens : Wo sind die Autokraten?

  • -Aktualisiert am

Sebastian Kurz will nicht „täglich“ von Demokratiedefiziten in Ungarn oder den Vereinigten Staaten hören. Bild: dpa

„Machen wir uns doch nicht zu schlecht“, fordert Sebastian Kurz auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Die wahren Autokraten säßen nicht in Budapest und nicht in Washington. Selbst Nancy Pelosi warnt nicht vor Trump, sondern vor China.

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          Es waren auf der Münchner Sicherheitskonferenz schon viele düstere Sätze gefallen über den Zustand der Welt im Allgemeinen und den Selbstbehauptungswillen des Westens im Besonderen, als sich der österreichische Bundeskanzler an einem Machtwort versuchte. „Machen wir uns doch nicht zu schlecht“, verlangte Sebastian Kurz. Da war der konservative Politiker gerade auf das Nachbarland Ungarn angesprochen worden. Könne „der Westen“ seine Werte überhaupt glaubwürdig in der Welt vertreten, wenn mitten in der Europäischen Union Regierungen wie die von Viktor Orbán einer „illiberalen Demokratie“ das Wort redeten und es Probleme mit der Rechtsstaatlichkeit gebe?

          Andreas Ross
          Verantwortlicher Redakteur für Nachrichten und Politik Online.

          Natürlich müsse man derlei Sorgen ansprechen und auf Besserung dringen, erwiderte Kurz zwar. Aber es störe ihn, dass man „täglich“ von undemokratischen Tendenzen in Ländern wie Ungarn, Polen oder den Vereinigten Staaten höre, aber den Autoritarismus in anderen Teilen der Welt eher teilnahmslos hinnehme. Immerhin genössen die Menschen in Europa oder Nordamerika „das Privileg“, in Demokratien zu leben.

          Ist das Gerede über die Erosion des Westens, für welche die Konferenzausrichter den Begriff der „Westlessness“ gefunden hatten, übertrieben? Ging in München der Sinn dafür verloren, wo die eigentlichen Schurken sitzen, die westliche Errungenschaften gefährden? War vielleicht sogar der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in seiner Eröffnungsrede zu harsch mit den eigenen Landsleute ins Gericht gegangen, die vor lauter Selbstgerechtigkeit die Unabdingbarkeit der europäischen Einigung aus dem Blick verlören – und hatte zu wenig auf das hingewiesen, was westliche, offene Gesellschaften nach wie vor auszeichnet und von anderen abhebt? Hatte Außenminister Heiko Maas die gegenwärtige Großkrisenlage zu einseitig dem dramatisch verringerten „Engagement der Verantwortlichen im Weißen Haus für die von den USA geschaffene Weltordnung“ zugeschrieben?

          Wo Pelosi und Trump sich einig sind

          Zwischen den Zeilen mag das der eine oder andere sogar aus den Worten von Nancy Pelosi herausgehört haben, der aus Washington angereisten „Speaker of the House“. Die Demokratin konnte Steinmeiers Reden der vergangenen Monate, in denen der Bundespräsident immer wieder seine Sorge über die inneren Feinde der Demokratie ausbuchstabiert hatte, zwar gar nicht genug loben. Doch wer dachte, dass Pelosi eine Woche nach dem Freispruch von Präsident Donald Trump in dem von ihrer Fraktion betriebenen Amtsenthebungsverfahren nach München gereist sei, um eine Gruselgeschichte über Amerikas Abdriften in Richtung Autoritarismus zu erzählen, der sah sich getäuscht.

          Pelosi nutzte ihren Auftritt mit Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble über „die Rolle der Parlamente zur Verteidigung des Westens“ zwar sehr wohl, um „Wachsamkeit“ gegenüber den „Kräften des Autoritarismus“ anzumahnen. Doch dabei ging es ihr fast ausschließlich um China. Genauer: um die Gefahr, die für freie Länder davon ausginge, wenn der chinesische Konzern Huawei an der Ausrüstung von 5G-Netzen beteiligt würde und Peking so erweiterte Möglichkeiten zur Zensur, zur Bespitzelung von Dissidenten, zur Spionage oder zur Sabotage bekäme. Ungläubige Fragen aus dem Münchner Publikum, ob sie sich da etwa mit Donald Trump einig sei, bejahte Pelosi mit großer Selbstverständlichkeit. So wie sie nicht müde wurde, immer wieder auf die mehr als vierzig Kongressmitglieder aus beiden Parteien und beiden Kammern hinzuweisen, die mit ihr nach München gereist waren.

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