Digitalisierung : Wir brauchen einen neuen Gesellschaftsvertrag
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Verlegen von Breitbandverbindungen: Stärkere Netze könnten nochmals zu einer tiefgehenden Veränderung führen. Bild: dpa
Die Potentiale der Digitalisierung sind enorm. Wenn wir jedoch Vertrauen und Sicherheit im Internet erhalten wollen, brauchen wir ein neues Regelsystem. Ein Gastbeitrag.
Das Internet ist in kurzer Zeit zur wichtigsten Infrastruktur der Welt geworden. Nun befinden wir uns am Anfang einer Entwicklung, durch die das Internet auch zur Infrastruktur aller anderen Infrastrukturen werden wird. „Industrie 4.0“ ist inzwischen ein Stichwort für viele Debatten über die Zukunft unserer Märkte. Zwischen Davos und Hannover – die vierte industrielle Revolution ist in aller Munde. Es ist aber auch deutlich geworden, dass der Begriff nur auf unvollständige Art und Weise beschreibt, was wir vor uns haben.
Wir mögen uns in der vierten Phase der industriellen Revolution befinden. Zukünftige Historiker werden unsere Zeit jedoch mit größerer Wahrscheinlichkeit als den Übergang vom industriellen zum digitalen Zeitalter in der Evolution der Menschheit beschreiben. Je mehr das Potential des Internets für unsere Gesellschaften sichtbar wird, desto größer werden aber auch die Sorgen über vorhandene Probleme und Bedrohungen.
Das Potential ist groß
Der Vorteile des Netzes sind offensichtlich. Entwicklungsländer können sich mit seiner Hilfe direkt auf eine neue Ebene der Technologie begeben und sich so neue Möglichkeiten der ökonomischen und sozialen Entwicklung eröffnen. Die Weltbank schätzt, dass eine zehnprozentige Ausdehnung der Breitbandnetze das Bruttosozialprodukt um ein Prozent erhöht. Die immer breitere Verfügbarkeit des Smartphones hat eine Welle des Unternehmertums in Afrika und Asien ausgelöst.
Natürlich gibt es immer noch eine erhebliche digitale Kluft. Aber angesichts der rasanten Entwicklung, die wir beobachten, wird diese Kluft eher zwischen den Generationen als geographisch auftreten, und sie wird alle Gesellschaften betreffen. Die Generation, die das Faxgerät noch kennt, wird Schwierigkeiten haben, die Snapchat-Generation zu verstehen, und andersherum.
Technologie wird immer schneller verfügbar. Nach dem derzeitigen Trend werden wahrscheinlich in weniger als einem halben Jahrzehnt 90 Prozent der Weltbevölkerung mit mobilem Breitbandnetzwerk versorgt sein, das eine ähnliche oder sogar eine bessere Leistung hat als überwiegende Teile Europas heute.
Und da fängt die wahre Revolution erst an. 5G-Netze, die möglicherweise hundert Mal leistungsfähiger sind als heute, werden uns in die Ära des Internets der Dinge begleiten. Alles könnte mit allem verbunden werden und sogar interagieren.
Vertrauen und Sicherheit stehen auf dem Spiel
Zwei große Herausforderungen sind unmittelbar erkennbar.
Die erste betrifft Vertrauen. Können wir als Bürger darauf bauen, dass übermächtige Regierungen und Unternehmen die Daten, die sie auf dem einen oder anderen Weg über uns sammeln, nicht missbrauchen? Besteht mit Blick auf die Zukunft das Risiko eines „digitalen 2084“?
Bei der zweiten Herausforderung geht es um Sicherheit. Kriege und Konflikte nehmen plötzlich eine digitale Dimension an, die leicht außer Kontrolle geraten kann, wenn nicht starke Regeln für staatliches Handeln durchgesetzt werden. Wo an allem Interesse besteht, besteht auch das Risiko, dass alles militarisiert wird. In unserem alltäglichen Leben sind wir der Cyber-Kriminalität auf viele verschiedene Arten immer stärker ausgesetzt.
Es ist zwingend, dass all diese Probleme ernster genommen werden, wenn das Vertrauen ins Internet erhalten bleiben und dessen Potential verwirklicht werden soll.