Frieden mit dem Todfeind
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Sing mir das Lied vom Kompromiss: Alice Schwarzer und Jürgen Habermas Bild: Illustration F.A.S., Fotos Frank Röth, Wolfgang Eilmes
Alice Schwarzer, Jürgen Habermas und die anderen Kritiker der Waffenhilfe für die Ukraine haben den absoluten Charakter von Putins Feindschaft nicht verstanden. Deshalb setzen sie falsche Hoffnung in Kompromisse.
Die Waffenhilfe für die Ukraine stößt in Deutschland auf Widerspruch. Das stärkste Echo finden gerade die offenen Briefe der Gruppen um Alice Schwarzer und Reinhard Merkel sowie um Konstantin Wecker und Antje Vollmer. Ein Aufsatz von Jürgen Habermas kommt hinzu. In ihren Texten tauchen vier Grundargumente immer wieder auf. Erstens: Der Krieg muss durch „Kompromiss“ beendet werden. Zweitens: Um eine „Eskalation“ zum nuklearen Weltkrieg zu vermeiden, muss der Westen die Waffenhilfe für die Ukraine einstellen oder stark begrenzen. Drittens: Wer der Ukraine Waffen liefert, vergrößert das Leid, denn dann kann die Ukraine sich länger wehren, und mehr Menschen sterben. Viertens: Ein Sieg über Russland ist ohnehin ausgeschlossen.
Diese Annahmen beruhen auf einem Bild von Russland, das vermutlich zu optimistisch ist. Im Brief von Schwarzer und Merkel heißt es, der erstrebte Friede durch „Kompromiss“ müsse sich am „europäischen Ansatz der gemeinsamen Vielfalt“ orientieren. Dem Präsidenten Russlands liegt aber vermutlich kaum etwas ferner als der „europäische Ansatz der gemeinsamen Vielfalt“. Zu dem gehört nämlich, Streit so zu lösen, dass kein Land um seine Kerninteressen fürchten muss. Konflikte gehen dementsprechend meist nicht um die Existenz, sondern um Einzelfragen: Flüchtlingsquoten oder Finanztransfers. Sie werden mit dem Ziel ausgetragen, dass alle mit dem Ergebnis leben können.
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