
Scholz in Kiew : Das blaue Banner alleine zwingt Putin nicht zum Rückzug
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Nicht mit leeren Händen: Bundeskanzler Scholz trifft in Kiew den ukrainischen Präsidenten Selenskyj. Bild: EPA
Die Ernennung zum EU-Beitrittskandidaten wird die Ukraine stärken. Doch ein Ersatz für die Lieferung schwerer Waffen ist sie nicht.
Nur zu einem Fototermin hatte der Kanzler nicht nach Kiew reisen wollen: Da müsse es schon um ganz konkrete Dinge gehen. Draghi, Johannis, Macron und Scholz kamen denn auch nicht mit leeren Händen. Sie sprachen sich dafür aus, der von Russland überfallenen Ukraine (und der bedrohten Moldau) so schnell wie möglich den Status eines EU-Beitrittskandidaten zu verleihen. Kiew würde der EU lieber heute als morgen beitreten in der Erwartung, dass die Mitgliedschaft Schutz vor Putin bietet; die NATO wird der Ukraine länger verschlossen bleiben.
Die Ernennung zum Kandidaten wird die Kampfmoral der Ukrainer stärken. Mehr als den üblichen Beitrittsprozess kann die EU aber nicht anbieten. Auch für dieses geschundene Land sollte es keine Absenkung der Bedingungen geben, die jeder Kandidat zu erfüllen hat. Die EU darf sich gerade in der Konfrontation mit Putin nicht selbst dadurch schwächen, dass sie Staaten aufnimmt, die nicht beitrittsreif sind. Und sie sollte auch nicht die Völker verprellen, die schon lange an den nötigen Reformen arbeiten. Moskau nähme die Enttäuschten gerne in den Arm.
Die Mehrfachraketenwerfer verdienen ihren Namen
Das Aufziehen der Europafahne über Kiew allein zwingt den Kreml nicht zum Rückzug. Im Gegenteil: Das blaue Banner wirkt auf Putin wie ein rotes Tuch. Es war das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Ukraine gewesen, das im Kreml 2014 alle Sicherungen durchbrennen ließ. Die Ukraine muss sich mit militärischer Macht vor russischer Aggression schützen können.
Dazu braucht sie Waffen und Munition aus dem Westen, und zwar weit mehr als drei Mehrfachraketenwerfer, die ihren Namen zu Recht tragen – sie wurden schon mehrfach als Beleg dafür angekündigt, dass Berlin über seinen Schwere-Waffen-Schatten springe.
Die Zeit drängt. Kiew droht den Krieg zu verlieren. Wer das, wie auch die vier Besucher, nicht will, muss den Ukrainern geben, was sie brauchen, um die Niederlage abzuwenden. Erklärungen, dass die Ukraine zur europäischen Familie gehöre, reichen dafür nicht.