Sarah war im Krieg
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Ganz in Schwarz: Sicherheitskräfte eskortieren zwei mutmaßliche Ehefrauen von IS-Kämpfern durch ein Lager im Nordosten Syriens. Bild: AFP
Sie lebte im beschaulichen Konstanz und war eine gute Schülerin. Dann machte sich die 15 Jahre alte Gymnasiastin auf den Weg zum „Islamischen Staat“ in Syrien – nun steht sie vor Gericht.
Es war am Reformationstag vor sechs Jahren, als Sarah O. verschwand. Die damals 15 Jahre alte Gymnasiastin aus Konstanz war in den Herbstferien von der beschaulichen Stadt am Bodensee zur Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) nach Syrien aufgebrochen. Sie hatte den Pass ihres algerischen Vaters kopiert, darauf eine Vollmacht gefälscht, dass er ihr die Reise erlaube. Dann war sie von Stuttgart nach Istanbul und weiter nach Gaziantep geflogen, fünfzig Kilometer von der syrischen Grenze entfernt, und von dort aus zu den IS-Kämpfern nach Nordsyrien gereist. Ihre Freundinnen aus der zehnten Klasse des Alexander-von-Humboldt-Gymnasiums erhielten bald über Messenger-Dienste erschreckende Fotos und Nachrichten: Sarah verschleiert mit Maschinenpistole im Anschlag, vor der IS-Fahne, oder eine Pistole, die auf ihrem schwarzen Handschuh glänzte. „Meine neue Perle“, schrieb sie dazu. Ihren Tagesablauf schilderte sie so: „Schlafen, Essen, Schießen, Lernen, Vorträge anhören.“

Politischer Korrespondent in Nordrhein-Westfalen.

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Der Fall erregte bundesweit Aufsehen. Sarah war eine gute Schülerin in einer Stadt, in der es keine islamistische Szene gab, und die sich dennoch scheinbar blitzschnell radikalisiert hatte. Wenige Jahre zuvor hatte sie noch im Bikini mit anderen Mädchen gebadet, sogar mal eine Zigarette geraucht oder etwas Alkohol getrunken. Ihr Vater, ein strenggläubiger Muslim, hatte sie in den Sommerferien in zwei aufeinander folgenden Jahren auf eine religiöse Schule in sein Heimatland Algerien geschickt. Nach dem zweiten Aufenthalt dort war Sarah verändert. Sie trug nur noch schwarze Kleidung, wollte Männern nicht mehr die Hand geben, trug in der Öffentlichkeit immer Handschuhe. Beim Sportunterricht wollte sie nur mitmachen, wenn keine Jungen sie dort sahen, am Schwimmunterricht nahm sich nicht teil, selbst als ihr das Tragen eines Burkinis erlaubt wurde. Sie wollte sich sogar voll verschleiern, was der Vater und die Schule untersagten, wo die Lehrer Sarahs Verhalten als Teil eines pubertären Selbstfindungsprozesses ansahen. Sarah verkehrte auch in einer Gruppe muslimischer Frauen und Mädchen, die sich mit salafistischen Lehren beschäftigten. Zwei aus der Gruppe reisten später ebenfalls nach Syrien zum IS, sie sind bis heute nicht zurückgekehrt. Ein letzter Verstärker für den Entschluss, in den „Heiligen Krieg“ zu reisen, war eine Benefizveranstaltung für Syrien in einer Moschee im nahen schweizerischen Winterthur, die sie einen Monat vor ihrer Ausreise besuchte.
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