Rainer Brüderle : Der Gewinner
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Rainer Brüderle hat 12 Jahre lang um sein Amt als Wirtschaftsminister gekämpft Bild: dpa
Rainer Brüderle, der neue Fraktionsvorsitzende der FDP, wurde als Wirtschaftsminister anfangs geringgeschätzt. Doch er gewann Profil und bewies Standfestigkeit. Er kann die Fraktion aus den Zonen permanenter Nervosität herausführen.
Rainer Brüderle hat es geschafft, innerhalb von vier Wochen vom mutmaßlichen Ämterverlierer zum unerwarteten Gewinner eines Machtkampfes zu werden. Nach den schweren Wahlniederlagen der FDP in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, Ende März, schien die Gelegenheit gekommen, den Wirtschaftsminister aus dem Amt zu kippen.
Es hieß, Guido Westerwelle habe Brüderles Amt und das der Fraktionsvorsitzenden Homburger dem jungen Parteinachwuchs als Gegenleistung für seinen Verbleib an der Spitze der FDP und des Auswärtigem Amtes angeboten. Der 65 Jahre alte Brüderle, dessen politisches Sensorium feinste Flügelschläge zu registrieren vermag, flog noch am Wahlabend nach Berlin und suchte vergeblich in den geographischen Mittelpunkt der mutmaßlichen Intrige vorzudringen, die seiner Meinung nach wesentlich von Westerwelle-Vertrauten inszeniert wurde. Als Brüderle in dem fraglichen Lokal am Schiffbauerdamm eintraf, fand er es, bis auf eine Nachhut, verlassen vor. Umso energischer trat er am nächsten Tag vor Westerwelle und machte unmissverständlich klar, dass er nicht kampflos gehen werde.
Denn Rainer Brüderle war ein Wirtschaftsminister aus Leidenschaft. Zwölf Jahre lang hat der Politiker aus Rheinland-Pfalz um das Amt gekämpft. Als er 1998 das schöne Mainz verließ, wo er seit 1983 das Wirtschaftsministerium geführt hatte, trieb ihn die Idee, noch einmal etwas ganz anderes zu wagen, vielleicht Bundesminister zu werden. Doch die FDP verlor die Wahl, Brüderle landete hart auf einer Oppositionsbank. Dort fügte er in den Jahren danach Tausende Termine zu langen Ketten, verfasste Hunderte Pressemitteilungen und hielt sich an der Oberfläche öffentlicher Wahrnehmung. Während der Koalitionsverhandlungen 2009 gelang es ihm dann durch ein ganz gegenteiliges Verhalten, nämlich eisernes Schweigen, seine Position zu verbessern: Am Ende wurde er als Minister vereidigt.
Anfangs wurde er geringgeschätzt
In seinem neuen Amt wurde der Volkswirt anfangs geringgeschätzt. Der Vorgänger Guttenberg hatte Glanz in das Haus gebracht, er hingegen ließ Erinnerungen an den kreuzunglücklichen Minister Michael Glos aufkommen. Doch Brüderle gewann Profil, bewies Standfestigkeit und kann heute als praktisch einziger Verfechter marktwirtschaftlicher Prinzipien in der ganzen Bundesregierung gelten.
Zwar verliert er nun das geliebte Ministerium und damit die Chance, als „Mister Aufschwung XXL“ oder „Letzter Ritter der freien und sozialen Marktwirtschaft“ in die Geschichte einzugehen. Dafür aber gibt ihm die neue Parteiführung Gelegenheit, seine ganze politische Lebensklugheit, seine Schlaumeiereien („Erst denken, dann dübeln“) und nötigenfalls auch weinselige Härte in der vollen Breite politischer Themen zu entfalten. Brüderle kann die Fraktion aus den Zonen permanenter Nervosität herausführen. Der FDP auch in der Koalition Geltung und in der Öffentlichkeit wieder Ansehen zu verschaffen, dazu kann er einen gewichtigen Beitrag leisten.