Auslandsspionage : „Amtlich bestätigt“
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Pullach: Von hier aus arbeitete der BND jahrzehntelang. Bild: Reinhard Müller
Ein Anfang ist gemacht - mehr noch nicht. Wie gut war der BND bei seiner Kernaufgabe?
Nahezu zum 65. Geburtstag des Bundesnachrichtendienstes (BND) und seines Vorgängers legt die Unabhängige Historikerkommission (UHK) nach zehnjähriger Arbeit ihren 13., den entscheidenden Band vor: eine Analyse zum Grad der Frische und Qualität von politischen, wissenschaftlichen und militärischen Informationen aus dem Ausland, ihrer Wirkungsmächtigkeit für die Bundesregierung und ihrer Herkunft. Die herausragenden Arbeiten zur operativen Arbeit in der Deutschen Demokratischen Republik (durch Ronny Heidenreich) und in der Bundesrepublik (Klaus-Dietmar Henke) ließen nun den großen „Wumms“ erwarten. Die Spionagefrüchte des Auslandsnachrichtendienstes in den ersten zwei Jahrzehnten nach seinem Entstehen im Licht wissenschaftlicher Forschung: Allein schon der Umfang des nun vorliegenden Buches ist ein beachtliches Versprechen.
Nachvollziehbar ist gleichwohl die eingangs vom Herausgeber Wolfgang Krieger (Marburg), einem der vier Grandseigneure der UHK, vorgenommene Einschränkung, wonach es „leider nicht möglich“ gewesen sei, „die gesamte Auslandsaufklärung des BND darzustellen“, wofür „weder die Zeit noch die personellen Ressourcen“ (bei sechs Autoren) ausgereicht hätten, und folglich die Konzentration auf „Feldern“ – also Staaten – gelegen habe, die „besonders wichtig und ertragreich erschienen“. Zudem ist der Forschungsgegenstand ohnehin auf die Jahre von 1946 bis 1968 limitiert.
Unter den gewichtigen Staaten zählt nach Angaben des Herausgebers wesentlich die operative Arbeit des BND in Bulgarien, das für die Jahre von 1956 an bis 1968 von Andreas Hilger (Moskau) und Sabrina Nowack (Marburg) als Fallbeispiel für Südosteuropa aufbereitet wurde. Tilman Lüdke (Freiburg) versucht die operative Arbeit im Nahen Osten am Beispiel Ägyptens und Syriens zu beschreiben. Ferner das Feld Lateinamerika, das von Holger M. Meding (Köln) überwiegend ab 1954 an Argentinien, Brasilien, Ecuador, Guatemala, Kuba, Uruguay und Venezuela unter analytischem Blick gestellt wird. Diese Beiträge dominieren den Band, und es fällt schwer, diese Staaten allein als Hotspots während des Kalten Krieges anzunehmen. Selbst die bedingte Souveränität Deutschlands lässt doch ein Regierungsinteresse an nachrichtendienstlich erhobenem Wissen über Vorstellungen von „Freunden“ und „Feinden“ in London, Moskau, Paris, Peking oder Washington annehmen. Tatsächlich nahmen die USA und die Staaten Westeuropas in den Analysen des BND – „Lageberichte West“ genannt – „den größten Raum ein“, ausgerechnet aber nicht in diesem Buch, in dem überdies der Forschungsstand der letzten Jahre keinen Eingang gefunden hat.
Gerade der Beitrag von Meding offenbart eine Schlüsselfrage zur Erforschung der Geschichte der Nachrichtendienste: Legitimerweise prüfte der BND auch sein Manuskript auf den Schutz von Informanten, Methoden, Partnerdiensten und des Staatswohls. Ergebnis: Es galt im Ergebnis „zu gut zwei Dritteln als nicht freigabefähig“ – zunächst, denn dann lenkte man teilweise ein. So durfte das „Spannendste der bundesdeutschen Lateinamerikaaufklärung aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht offengelegt werden. Nicht einmal der Deckname kann hier genannt werden“, heißt es auf Seite 678.
Aber: „Besonders schwer zu begreifen“, vermerkt Krieger, sind „Informationen, die nicht freigegeben werden, obwohl sie bereits öffentlich im Umlauf sind“. Die Nachrichtendienste „behaupten, die Freigabe einer solchen Information käme einer amtlichen Bestätigung ihrer Richtigkeit gleich“. Das tangiert eine Schlüsselfrage unabhängiger Forschung! Wie aber dann damit umgehen?