Klimakrise : Wider die Maßlosigkeit
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Ein Entwurf für eine umweltverträgliche Finanzwirtschaft
Zu Beginn des Jahres standen in Australien unzählige Hektar Buschland in Flammen. Es folgten eine Heuschreckenplage in Afrika, Überschwemmungen in Asien, Hurrikan Laura und die verheerenden Waldbrände in Sibirien und Kalifornien. Und zusätzlich dazu noch die Corona-Pandemie. Die Liste der Katastrophen in diesem Jahr ist lang und passend zu dem düsteren Szenario, mit dem Ann Pettifor ihr Buch „Green New Deal – Warum wir können, was wir tun müssen“ beginnt. Mit ungeahnter Zielgenauigkeit – das Buch erschien in englischer Sprache kurz vor Ausbruch der Corona-Krise – prophezeit sie einen systemerschütternden Schock, auf den ein globaler Systemwechsel folgen müsse.

Volontärin.
Verantwortlich für eine immer schnellere Erdübernutzung und Bedrohung der Ökosysteme sieht Pettifor das unregulierte, globalisierte Finanzsystem. Die Jagd nach Renditen gehe auf Kosten des Planeten, schreibt sie. Um den Ansprüchen der Finanzmarktakteure gerecht zu werden, würden Unternehmen Ressourcen ausbeuten und Lebensräume zerstören. Ihre Antwort? Ein „Green New Deal“. Das Ziel ist nicht weniger als eine radikale Strukturreform von Wirtschaft und Finanzsystem zum Schutz des Ökosystems. Der „kostspielige Umbau der Wirtschaft“ weg von fossilen Brennstoffen und hin zu einer Gleichgewichtswirtschaft sei der Autorin zufolge nur möglich, indem der Finanzsektor den Interessen von Gesellschaft und Umweltschutz untergeordnet werde.
Ann Pettifor hat bereits Regierungen und Organisationen bei der Restrukturierung von Staatsschulden, internationalen Finanzierungen und nachhaltiger Entwicklung beraten. Die britische Ökonomin und Finanzexpertin leitet das Netzwerk „Policy Research in Macroeconomics“ sowie den Forschungsbereich Globale Makroökonomik der Organisation „New Economics Foundation“. 2018 erhielt sie den Hannah-Arendt-Preis für politisches Denken.
Der Green New Deal, angelehnt an den New Deal von Franklin D. Roosevelt aus dem Jahr 1933, wurde vor dem Hintergrund der Finanzkrise erarbeitet. Er ruft die OECD-Staaten dazu auf, ärmere Länder bei der Finanzierung der Anpassungsprogramme an den Klimawandel zu unterstützen. Finanzielle Umverteilung vom Produzenten zum Verursacher also. Damit der Plan die Schlagkraft hat, einen Systemwandel einzuleiten, muss er nach Pettifors Ansicht auf einer Ebene mit demokratischer Verantwortung umgesetzt werden. Statt globaler Initiativen wie der Vereinten Nationen, denen es häufig an Führungskraft mangele, plädiert sie für eine internationale Kooperation unter der Autorität der Nationalstaaten. Im gleichen Atemzug wirft die Autorin die Frage auf, ob das bestehende, von der Realwirtschaft entkoppelte Finanzsystem einen solchen Plan mittragen würde. „Wir müssen realistisch sein und einsehen, dass dieser Sektor – mit einigen Ausnahmen – wohl kaum helfen wird, zu akzeptablen und nachhaltigen Bedingungen ein umfangreiches Projekt zur Klimastabilisierung zu finanzieren.“
Um den internationalen Finanzsektor zu regulieren, ruft sie zum Angriff auf die Hegemonie des amerikanischen Dollars auf sowie auf das „exorbitante Privileg“ der Vereinigten Staaten, „auf Kosten der übrigen Welt zu leben“. Doch die Vorherrschaft des Dollars soll nicht ersatzlos gestrichen werden. Stattdessen soll an dieser Stelle eine unabhängige, internationale Zentralbank eingesetzt werden, die allen Ländern weltweit rechenschaftspflichtig ist. Wie genau dies ausgestaltet werden soll, bleibt hier offen. Sollte der Green New Deal scheitern, prophezeit Ann Pettifor den Zusammenbruch des globalisierten Systems aufgrund zahlreicher Krisen.