Antisemitismus : Aufgabe für alle Demokraten
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Der Spruch „Gegen jeden Antisemitismus!“ prangt an einer Toilettenwand der Philipps-Universität in Marburg. Bild: dpa
Wissenswertes und Bedrückendes über den Antisemitismus
Immer wieder beunruhigt und erschüttert Antisemitismus die Bundesrepublik. Antisemitische Einstellungen und judenfeindliches Verhalten gehören zu den zentralen Bedrohungen der Demokratie und ihrer Grundwerte. Von bereits hohem Niveau steigt seit Jahren unter anderem die Zahl antisemitischer Straftaten wie Holocaustleugnung. Nur ein besonders markantes Beispiel für antisemitisch motivierte Gewaltverbrechen ist der versuchte Anschlag im Oktober 2019, ausgerechnet an Jom Kippur und damit dem höchsten jüdischen Feiertag, auf die Synagoge in Halle an der Saale, bei dem der Täter zwei Menschen erschoss. Der Todesschütze wollte die Synagoge stürmen und zahlreiche Menschen offenbar ausschließlich deshalb töten, weil sie Juden sind. Derzeit muss er sich vor Gericht verantworten.
Ein besonders hoher Anteil antisemitisch motivierter Straftaten, zum Beispiel Volksverhetzung, stammt von Rechtsextremisten. Antisemitismus zählt zu den geradezu konstitutiven Elementen rechtsextremistischer Ideologien und Weltdeutungen. Aber auch andere Fanatiker, darunter Islamisten, und selbst Nichtextremisten verbreiten anonym oder sogar unter Klarnamen immer wieder Ressentiments gegen Juden. Dazu nutzen sie vor allem das Internet, das die Verbreitung von Hass und Hetze natürlich enorm erleichtert. Daneben begehen sowohl Extremisten als auch sogenannte Normalbürger antisemitisch motivierte Straftaten wie Hakenkreuzschmierereien an jüdischen Gräbern, oder sie verbrennen Israel-Fahnen. Darüber hinaus verbreiten sie Landkarten des Nahen Ostens ohne Israel und bedrohen Juden im Alltag. Daher wachsen Verunsicherung, Unbehagen und Ängste unter Juden in Deutschland, aber auch in anderen Ländern wie Großbritannien, Frankreich, Italien und den Vereinigten Staaten. Umso wichtiger ist es, über Antisemitismus in seinen unterschiedlichen Ausprägungen aufzuklären und Juden bestmöglich zu schützen und zu verteidigen. Das zählt zu den wichtigsten Aufgaben aller Demokraten.
Einen Beitrag zur Aufklärung über Antisemitismus will dieses Buch leisten. Die britische Autorin mit deutschen Wurzeln gehört dem „House of Lords“ an. Zugleich fungiert sie als Rabbinerin – Hitlers Verbrecher ermordeten viele Mitglieder ihrer Familie. In ihrem Buch (Übersetzung aus dem Englischen: Anne Emmert) diskutiert und analysiert die bekennende Brexit-Gegnerin, die 2019 auch die deutsche Staatsangehörigkeit erhielt, schwerpunktmäßig den wachsenden Antisemitismus in seinen verschiedenen Facetten in England und Deutschland.
Zunächst konzentriert sich der eher lebendig-konkrete als wissenschaftlich-abstrakte Band darauf, die lange Geschichte der Judenfeindlichkeit zu erläutern, in der Martin Luther als „glühender Antisemit“ eine Hauptrolle beanspruchen könne. Der Antisemitismus von Antikapitalisten wiederum, den Neuberger thematisiert, gründet unter anderem auf der Schrift „Zur Judenfrage“ von Karl Marx. Als geistiger Brandstifter legt Marx darin antikapitalistisch gefärbte Grundlagen für antisemitische Stereotype, auf denen gerade auch Rechtsextremisten bis heute aufbauen können. Wörtlich erklärt Marx: „Welches ist der weltliche Grund des Judenthums? Das praktische Bedürfnis, der Eigennutz. Welches ist der weltliche Kultus der Juden? Der Schacher. Welches ist sein weltlicher Gott? Das Geld.“