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Wahlkämpfer: Luiz Inacio Lula da Silva am 12. Juli Bild: Getty

Brasiliens Präsidentenwahl : Wer ist der Mann, der Bolsonaro schlagen kann?

Die Präsidentenwahl in Brasilien im Herbst verspricht Spannung. Ist Lula die Erlösung von dem Bösen (Bolsonaro) – oder nur ein Populist von links?

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          Luiz Inácio Lula da Silva lebt von seiner Rhetorik. Seine Worte blühen auf, wenn die Massen vor ihm stehen. Als die Korruptionsurteile gegen den brasilianischen Politiker im vergangenen Jahr aufgehoben wurden, suchte er den Ort São Bernardo do Campo auf, wo er einst sein Handwerk als Metallfacharbeiter lernte und später seine politische Karriere begann. Ein Stück Fleisch und ein Bier, das müsse sich endlich wieder jeder Arbeiter leisten können, sagte er im März 2021 an seine Anhänger gerichtet. Das kam beim Publikum an, auch wenn er diese Forderung in abgewandelter Form schon häufig erhoben hat. Schon damals war klar, was später offiziell werden sollte: Er will Präsident werden, wieder einmal. Anfang Mai dieses Jahres machte er seine lange erwartete Kandidatur dann öffentlich. Regieren, schrieb er auf Twitter voller Pathos, sei ein Akt der Liebe.

          Es ist schon sein sechster Anlauf auf das Präsidentenamt. Die ersten drei Male unterlag der Linkspolitiker seinen Kontrahenten. Anfang des Jahrtausends gelang ihm dann der Einzug in den Präsidentenpalast, im Amt bestätigt wurde er vier Jahre später, regiert hat er das größte Land Lateinamerikas von 2003 bis 2011. Der damalige Rohstoffboom kam ihm während seiner Regierungsjahre zugute. Jetzt ist Lula, wie er kurz genannt wird, 76 Jahre alt und will Brasilien noch einmal in die Zukunft führen.

          Dabei inszeniert sich Lula als Gegengewicht zum aktuellen, rechtspopulistischen Präsidenten Jair Bolsonaro, etwa indem er sich früh für Corona-Impfungen aussprach, die Bolsonaro verteufelt hat. Der Wahlkampf gegen den Amtsinhaber dürfte gefährlich werden, das lassen Drohungen vermuten. Eine kugelsichere Weste lehnt Lula ab, obwohl er die Massen um sich scharen möchte. „Es gibt Leute, die glauben, man müsse keinen Wahlkampf auf der Straße mehr machen, ihn nur noch in den sozialen Netzwerken führen. Soll das machen, wer will. Ich werde durch ganz Brasilien reisen und mit dem brasilianischen Volk sprechen“, sagte er kürzlich. Auch das war ein Seitenhieb in Richtung Bolsonaro, dem nachgesagt wird, er habe vor allem durch seinen digitalen Wahlkampf mit allerhand Fake News die vergangene Wahl gewonnen.

          Tim Niendorf
          Politikredakteur.

          Wenige Monate vor dem Showdown zwischen Lula und Bolsonaro hat der deutsche Journalist Andreas Nöthen eine Biographie über Lula, der im Oktober als Favorit in die Wahl geht, veröffentlicht. Erst vor zwei Jahren hatte der Autor mit „Bulldozer Bolsonaro – Wie ein Populist Brasilien ruiniert“ schon den aktuellen Präsidenten porträtiert und sowohl dessen ungewöhnlichen Lebensweg als auch ein Stück brasilianische Geschichte auf gelungene Art beschrieben. Gelingt ihm das mit dessen Kontrahent nun auch?

          Leider nicht so sehr, und das fängt schon bei einer Leitfrage an, die der Autor zu Beginn stellt: „Gibt es so etwas wie gute Korruption?“ Wohl kaum. Das ist so in etwa auch das Fazit, das Nöthen am Ende des Buches zieht.

          Lula als menschgewordene brasilianische Geschichte

          Eine Biographie über Lula, das klingt auch ohne Leitfrage interessant, lässt sich über dessen Leben und politische Karriere doch einiges berichten, zumal jetzt, da er bald ein weiteres Mal an der Spitze Brasiliens stehen könnte. Wer also ist Lula: die Erlösung von dem Bösen (Bolsonaro) – oder nur ein Populist von links?

          So wirklich nah kommt man Lula auf den 256 Seiten nicht. Auch wenn es ein guter Ansatz ist, nicht nur etwas über den Lebensweg, sondern auch etwas drum herum über die brasilianische Politik zu erfahren, so stellt sich doch bald der Eindruck ein, dass zu viele Seitenaspekte, zu viele Personen erwähnt werden und die Erzählung der Person Lula dadurch meist oberflächlich bleibt.

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