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Beziehungen zu den USA : Baumeister der transatlantischen Bühne

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Guido Goldman (rechts) mit dem Unternehmer Alexander Otto bei der Eröffnung des Belvedere auf dem Pfingstberg in Potsdam um Juni 2003. Bild: Picture-Alliance

Auch in der „großen Politik“ geht vieles über einzelne Personen. Zum Beispiel Guido Goldman.

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          Guido Goldman. Guido wer? Man muss schon ein intimer Kenner der transatlantischen Beziehungsgeschichte sein, damit einem dieser Name etwas sagt. Dies liegt aber nicht daran, dass es sich lediglich um ein Detail, gar um Nebensächlichkeiten handelte, mit denen Guido Goldman befasst war. Es liegt an ihm selbst, an seiner Wesensart: Er war nicht der Typ, der gerne im Rampenlicht steht. Er arbeitete lieber hinter den Kulissen. Er wirkte lieber im Stillen.

          Umso wertvoller ist, dass nun Martin Klingst das Lebenswerk von Guido Goldman einer breiteren Öffentlichkeit vorstellt. Der langjährige Korrespondent der Zeitung Die Zeit in Washington und heutige Leiter der Stabsstelle Strategische Kommunikation und Reden von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier würdigt Goldman als einen der wichtigsten Protagonisten der deutsch-amerikanischen Beziehungen seit 1945. Dabei hatte auch Klingst „nicht die geringste Ahnung“ gehabt, wer Goldman war, als er ihn 2006 zum ersten Mal traf.

          Klingst schildert das Leben eines Mannes, dem die meisten großen transatlantischen und vor allem deutsch-amerikanischen Institutionen, die nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden, ihre Existenz zu verdanken haben. Goldman war es, der sie entweder ins Leben rief oder zumindest durch sein Engagement und Netzwerk stärkte: das Center for European Studies an der Universität Harvard, den German Marshall Fund of the United States, das American Institute for Contemporary German Studies an der Johns-Hopkins-Universität, das John-McCloy-Stipendienprogramm an Harvards Kennedy School of Government und den American Council on Germany in New York.

          Bis heute bekannter als Guido Goldman ist sein Vater: Nahum Goldmann. Der Sohn verlor 1940 bei der Einbürgerung in den Vereinigten Staaten ein „n“ im Nachnamen. Sein Vater war Gründer und langjähriger Präsident des Jüdischen Weltkongresses gewesen und hatte nach dem Zweiten Weltkrieg mit Konrad Adenauer die Entschädigungszahlungen der Bundesrepublik Deutschland an Israel und an die Überlebenden des Holocausts ausgehandelt. Klingst ruft in Erinnerung, wer bei den Goldmanns in New York regelmäßig zu Gast war: von Eleanor Roosevelt, Mitbegründerin der Vereinten Nationen und Ehefrau des amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt, über den Pianisten Artur Rubinstein und den Philosophen Isaiah Berlin bis hin zu Israels erstem Präsidenten Chaim Weizmann und UN-Generalsekretär Dag Hammarskjöld.

          Hineingeboren in eine hochpolitische Familie, „brannte“ auch Goldman für Politik. Dabei hat er sich nach Klingsts Beobachtung aber mehr noch als für die Themen für die in der Politik handelnden Menschen interessiert, für ihre Beziehungen, Fehler, Vorzüge, Ränkespiele. Goldman habe stets wissen wollen, wer wann wo wen stürzen und ersetzen könne. Klingst selbst erlebte dies bei den Aufenthalten von Goldman in Berlin, nachdem er 2014 für Die Zeit vom Potomac an die Spree gewechselt war. Bei ihren damaligen Treffen habe Goldman etwa wissen wollen, wie Deutschland mit den Hunderttausenden syrischen und irakischen Asylbewerbern zurechtkam und ob Angela Merkel ihr „Wir schaffen das“ politisch überleben würde. Goldman hatte dann auch die Idee der Darstellung seines Lebens durch Klingst. Das Auswärtige Amt wollte eine Biographie über ihn in Auftrag geben aus Anlass des 50. Geburtstags des German Marshall Fund. Goldman hatte seinen Biographen gefunden.

          Klingst erzählt nicht nur ein Leben, in dem sich exemplarisch ein Jahrhundert deutscher, jüdischer, europäischer und amerikanischer Geschichte spiegelt. Es geht auch um die familiäre Prägung dieses Lebens: 1940 sahen sich die Goldmanns gezwungen, vor den Nationalsozialisten aus Europa nach Amerika zu fliehen. Dennoch war in New York aufgrund des eigenen Wohlstands ein privilegiertes Leben möglich, wie Goldman selbst gegenüber Klingst sagte. Dem materiellen Reichtum soll allerdings emotionale Armut gegenübergestanden haben. Den Eltern wird kein großes Interesse an ihren beiden Söhnen bescheinigt. Nahum Goldmanns Leidenschaft habe ausschließlich der Politik und seiner eigenen Rolle darin gegolten. Auch seine Frau sei meist mit sich selbst beschäftigt gewesen. Die Lieblosigkeit und Selbstbezogenheit von Vater und Mutter einigermaßen unbeschadet überstanden zu haben, verdankt Goldman in seiner Erinnerung vor allem Ruth, seiner schwarzen Nanny aus Barbados.

          Für Klingst ist dies die eine Facette des familiären Umfeldes, die andere: Ohne den Vater, dessen großen Namen und illustren Freundeskreis, hätte das Lebenswerk des Sohnes nicht entstehen können. Der Vater sei getrieben gewesen von der Idee eines eigenen jüdischen Staates in Palästina. Damit verglichen, hatte der Sohn in der Tat keine politische Mission, kein Programm. Aber er glaubte, so Klingsts Urteil, fest an die gestaltende Kraft von zivilgesellschaftlichen Institutionen, an die gezielte, instrumentelle Verbindung von Menschen, die Einfluss auf Politik nehmen wollen, „um die Welt besser zu machen“. Goldman sei kein Revolutionär, kein Systemsprenger gewesen. Er habe auch keine Bewegung gegründet. Die von ihm ins Leben gerufenen Institutionen sollten mit Staaten und Staatengruppen zusammenarbeiten, um Regierungshandeln zu verändern. Hier wiederum war der Sohn dem Vater ähnlich – als Makler zwischen den Mächtigen.

          Das Erscheinen der bereits von ihm autorisierten Biographie hat Goldman nicht mehr erlebt. Er starb wenige Wochen zuvor nach schwerer Krankheit im Alter von 83 Jahren – „ein Mann des 20. Jahrhunderts“, wie er sich selbst nannte. Für die transatlantischen Beziehungen des 21. Jahrhunderts hat er ein Fundament gelegt, dessen Wert heute neu entdeckt wird – auch durch das Buch von Martin Klingst.

          Martin Klingst: Amerikas Mr. Germany. Guido Goldman. Herder Verlag, Freiburg im Breisgau 2021. 240 S., 26,- €.

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