Papstbesuch in Erfurt : Weniger als wenig
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Irgendwie hilflos: Präses Nikolaus Schneider und Papst Benedikt XVI. Bild: REUTERS
Im Februar ließ Papst Benedikt höchstpersönlich wissen, er selbst wolle in Erfurt einen „stärkeren Akzent“ auf dem Gebiet der Ökumene setzen. Nach der Begegnung an historischem Ort ringen die Evangelischen um Fassung.
Von zwei Mauerringen wurde das mittelalterliche Erfurt vor Angreifern geschützt. Am Freitag ist es ein Großaufgebot der Polizei, das für Sicherheit sorgt. Entlang der Straßen zum Augustinerkloster stehen etwa alle dreißig Meter beidseitig Polizisten Spalier. Die Stadt ist hermetisch abgeriegelt, der Alltag ist zum Erliegen gekommen. Man wartet gebannt auf den Mann aus Rom - die Katholiken, die Protestanten und vielleicht auch mancher, der mit dem Christentum schon lange abgeschlossen hat oder nie etwas angefangen hat.
In Erfurt sind es aber insbesondere die Protestanten, die mit Spannung erwarten, was der Papst zu sagen hat - ob er das Miteinander der Konfessionen voranbringen will, das in den vergangenen Jahren eher wie ein Neben- und ab und an sogar ein wenig wie ein Gegeneinander wirkte.
Man ist bescheiden geworden
Während die Delegation der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) im Kapitelsaal darauf wartet, unter Ausschluss der Öffentlichkeit 35 Minuten lang zu konferieren, parlieren in der Klosterkirche diejenigen evangelischen Kirchenführer miteinander, die nicht Mitglied der Delegation geworden sind. Den „unübersehbaren Schritt zur Überwindung der Kirchenspaltung“, von dem Bundestagspräsident Lammert, ein Katholik, tags zuvor im Parlament in Berlin gesprochen hat, erwartet wohl keiner von ihnen. Die EKD hat auch schon vorgebaut und in den vergangenen Wochen versucht, hochfliegende Erwartungen zu dämpfen. Zwar wird sie den Wunsch vortragen,
gemischtkonfessionellen Ehepartnern „in absehbarer Zeit“ Zugang zur Eucharistie zu gewähren, doch ein befreiendes Wort aus Rom erwartet man nicht. Ein Wort der Anerkennung über den Reformator, das ist es, was die Protestanten vom Papst hören wollen, und - vielleicht - einen Anstoß zu einem neuen theologischen Gespräch, um in einer Kommission einen substantiellen Fortschritt in der Ökumene vorzubereiten. Man ist bescheiden geworden.
Unweit der Kanzel steht Margot Käßmann. Wäre sie noch die Ratsvorsitzende, hätte sie nebenan das Wort zu führen. So unterhält sie sich mit dem nordelbischen Bischof Gerhard Ulrich. Im kommenden Jahr wird sie das neugeschaffene Amt der „EKD-Botschafterin“ für das große Reformationsjubiläum im Jahr 2017 übernehmen. Wenn der Papst wieder abgereist ist, wird sie eine Ahnung davon bekommen haben, welchen Raum sie in ihrer Arbeit für die Ökumene einplanen muss.
Die Delegationen lassen auf sich warten. Der Papst ist mit Verspätung eingetroffen. Bundeskanzlerin Merkel und Bundespräsident Wulff sitzen bereits in der ersten Kirchenbank. Dem Bläserchor gehen langsam die Lieder aus. In der Not hilft man sich mit einer Instrumentalversion von „Herr, deine Liebe ist wie Gras und Ufer“, das man eher in einem christlichen Jugendlager erwarten würde. Es folgt ein Musikstück, das kaum einer kennt. Selbst der Organist auf der Empore zuckt mit den Schultern. „Irgendeine Jazz-Version eines Chorals“, lautet sein Tipp.
Gebeugt tritt der Papst in die Klosterkirche ein
Vorn, direkt vor dem Altar liegt eine steinerne Grabplatte von beachtlicher Größe. Darunter befinden sich die Gebeine des Johann Zachariae. Er war ein Theologieprofessor in Erfurt, über den man sich später eine Zeitlang stolz in der Stadt erzählte, er sei es gewesen, der auf dem Konstanzer Konzil Jan Hus der Irrlehre überführt habe, so dass dieser am 6. Juli 1415 mitsamt seinen Schriften verbrannt und die Asche in den Rhein gestreut wurde.