
Papst Franziskus’ Regierungserklärung : Der Traum ist keine Utopie
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Papst Franziskus Bild: AP
Freiheit statt Zwang, Einladung statt Kontrolle: Mit seinem ersten „Apostolischen Schreiben“ wirbt Papst Franziskus für eine grundlegende Reform der katholischen Kirche. Hinter diesen Anspruch wird es kein Zurück mehr geben. Ein Kommentar.
Seit dem 13. März 2013 ist kaum ein Tag vergangen, an dem Papst Franziskus nicht in symbolischen Gesten und bildreichen Ansprachen zu erkennen gegeben hätte, dass er mit einer bestimmten Gestalt von Kirche brechen will. Jetzt, mit dem Abschluss des noch von seinem Vorgänger Benedikt XVI. ausgerufenen „Jahr des Glaubens“, hat er seinen Worten und Zeichen eine Form gegeben, hinter deren Anspruch es in der katholischen Kirche kein Zurück mehr geben kann.
Denn in seinem mehr als 180 Seiten füllenden „Apostolischen Schreiben“ wirbt Franziskus für nichts weniger als für eine Reform der Kirche an Haupt und Gliedern. Diese ist zuvörderst nicht eine Reform der Doktrin und der Strukturen. Dem Papst geht es um die innere Haltung, die aus der Selbstmitteilung Gottes in Jesus Christus erwächst: Freiheit statt Zwang, Einladung statt Kontrolle, Barmherzigkeit statt Normerfüllung. Eine Kirche, die sich aus Angst vor Fehlern und Zweideutigkeiten mit einem Panzer aus vermeintlich unveränderbaren Riten und überzeitlichen Wahrheiten umgibt, ist dem langjährigen Seelsorger und Armenbischof schlicht ein Greuel. Dasselbe gilt für eine Kirche, die über ihre „spirituelle Weltlichkeit“ blind wird für die sozialen Strukturen der Sünde und taub für den „Schrei der Armen“ nach Frieden und Gerechtigkeit.
Über die Tragweite seiner Kritik an vielen Erscheinungsformen des Lebens der Kirche macht sich der Papst keine Illusionen. Er selbst spricht davon, dass seine Worte programmatische Bedeutung haben und zu einschneidenden Konsequenzen führen müssen – allen voran für die Kirchenverfassung und die Praxis der Seelsorge. Unter Hinweis auf Papst Johannes Paul II. wirbt Franziskus für eine ökumenische Gestalt des Papstamtes, den mittelalterlichen Theologen Thomas von Aquin führt er an als Kronzeugen einer Hierarchie der Wahrheiten, den spätantiken Kirchenvater Ambrosius mit dem heute immer noch revolutionär klingenden Satz, das Abendmahl sei nicht eine Belohnung für die Vollkommenen, sondern ein großzügiges Heilmittel und eine Nahrung für die Schwachen. Franziskus spricht aber auch davon, dass all dies noch ein Traum ist. Doch der Traum ist keine Utopie, sondern nährt sich nicht nur aus den besten Traditionen der Kirche, sondern vor allem aus der Bibel. Nun muss er nur noch Wirklichkeit werden.