NSU-Prozess : „Dem großen Interesse Raum geben“
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Wurden für den NSU-Prozess ausreichend Plätze für die Presse und internationale Beobachter reserviert? Bild: dapd
Beim Besuch von Wirtschaftsminister Rösler in Ankara bekräftigt der türkische Staatspräsident Gül seine Erwartung, den NSU-Prozess der türkischen Presse zugänglich zu machen. Journalistenverbände und Parlamentarier werben für eine neue Akkreditierung.
Die Türkei hat ihre Erwartungen bekräftigt, dass der Münchner Gerichtsprozess über die NSU-Morde auch für die türkische Presse zugänglich gemacht wird. Ankara wünsche sich offene Verhandlungen, die allen zugänglich seien, sagte der türkische Staatspräsident Abdullah Gül nach Teilnehmerangaben in einem Gespräch mit Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) am Donnerstag in Ankara. Je offener, desto besser für Deutschland, wurde Gül zitiert. Allerdings habe die Türkei volles Vertrauen in das deutsche Recht.
Rösler äußerte den Angaben nach abermals Verständnis für das türkische Interesse an dem Prozess. Schließlich seien acht türkischstämmige Bürger getötet worden. Allerdings habe die Bundesregierung keine Einflussmöglichkeit auf das Gericht, wiederholte der Vizekanzler. Er hoffe aber sehr, dass eine Lösung gefunden werde. Die Deutschen verurteilten die menschenverachtenden NSU-Morde.
BGH-Präsident: Videoübertragung rechtlich bedenklich
Der Präsident des Bundesgerichtshofs (BGH), Klaus Tolksdorf, bezweifelt, dass eine Videoübertragung des Verfahrens in einen anderen Gerichtsaal rechtlich zulässig ist. Er könne mit Blick auf einschlägige Rechtskommentare „nicht unterschreiben“, dass solch eine Übertragung unbedenklich wäre, sagte Tolksdorf am Mittwochabend. Für eine Videoübertragung zugunsten internationaler Medienvertreter hatten sich drei ehemalige Verfassungshüter ausgesprochen. Das Oberlandesgericht München lehnt dies bislang ab.
Das OLG hatte die 50 Presseplätze nach der Reihenfolge des Eingangs der Anträge vergeben. Dabei gingen die meisten internationalen und alle türkischen Medien leer aus. Wegen der umstrittenen Vergabe haben mittlerweile die türkische Zeitung „Sabah“ sowie der Karlsruher Journalist Ulf Stuberger per Eilantrag Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt. Die Entscheidung der Karlsruher Richter wird bis spätestens Montag erwartet.
Der Prozess gegen die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe und vier Unterstützer des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) beginnt am Mittwoch vor dem Münchner Oberlandesgericht (OLG). Dem NSU werden Morde an neun Personen mit türkischen und griechischen Wurzeln und einer deutschen Polizistin zur Last gelegt, außerdem zwei Bombenanschläge und eine Reihe von Banküberfällen.
Journalistenverbände für neue Akkreditierung
Die Journalistenverbände DJV und dju sprachen sich einen Neustart des Akkreditierung-Verfahrens aus. Das Oberlandesgericht hatte in einer Stellungnahme an das Bundesverfassungsgericht eingestanden, einige Pressevertreter früher als andere über den Start der Akkreditierung informiert zu haben. Zudem waren einige über den ungefähren Zeitpunkt vorab informiert. Dies bedeutete, dass die 50 Presseplätze willkürlich vergeben worden seien, erklärte der DJV am Donnerstag und verlangte einen Neustart.
Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten Union (dju) kritisierte, die Benachteiligungen führten dazu, dass sich nun beispielsweise türkische Medien kein eigenes Bild von dem Prozess machen könnten. Wenn das OLG die Plätze neu vergebe und beispielsweise durch eine Simultanübertragung mehr Pressemöglichkeiten schaffe, bestehe die Chance, für menschenwürdige Arbeitsbedingungen während des Prozesses zu sorgen.