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NPD : Nacht der langen Messer

Ausgetreten: An Heiligabend verließ Holger Apfel die NPD Bild: dpa

Kaum ein Skandal wäre in der homophoben NPD schlimmer gewesen als ein Vorsitzender, der junge Neonazis sexuell belästigt. Schon deshalb eignete sich dieser Vorwurf, um Holger Apfel zum Rücktritt zu zwingen.

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          Schon 2011 machte die sächsische NPD-Fraktion keinen Hehl aus ihrer Abneigung gegen Homosexuelle. Als damals im Mai auf Anfrage der Grünen die „Situation der Nicht-Heterosexuellen in Sachsen“ im Landtag debattiert wurde, überboten die Rechtsextremen einander mit Gelächter und Zwischenrufen. Die SPD-Abgeordnete Liane Deicke warf der Staatsregierung vor, sie kenne die Situation von Schwulen und Lesben nicht. Prompt rief der NPD-Abgeordnete Andreas Storr in den Saal: „Wer will das schon? Wer will die Situation schon kennen?“ Später trat der NPD-Abgeordnete Jürgen Gansel an das Rednerpult und sagte: „Hören Sie auf mit der Verschwuchtelung des sächsischen Parlamentarismus!“ Die Debatte sei „sektiererischer Schwachsinn“, und gleichgeschlechtliche Beziehungen seien eine „Panne der Humanevolution“, die, wenn überhaupt, in der „Abgeschiedenheit des Privatlebens“ praktiziert werden solle. Beim NPD-Abgeordneten Arne Schimmer vermerkte das Protokoll „Heiterkeit“. Nur einer schwieg an diesem Tag: Holger Apfel, der Vorsitzende von Partei und Fraktion.

          Justus Bender
          Redakteur in der Politik der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

          Ob Apfel schon damals von Gerüchten in der Partei wusste, laut denen er der familienpolitischen Doktrin seiner Partei nicht stramm folgte, ist nicht bekannt. Momentan kursiert in der männerbündisch organisierten Partei der Vorwurf, Apfel habe „in zwei Fällen im betrunkenen Zustand junge Männer“ belästigt. Das verlautbart, mittlerweile ganz offiziell, Apfels frühere Fraktion.

          Es riecht nach Intrige

          Schon zuvor hatte sich angedeutet, dass der Grund für Apfels Rücktritt als Partei- und Fraktionsvorsitzender vor einer Woche nicht allein in der von ihm eingereichten Krankschreibung wegen „Burn-out-Syndroms“ lag. Am vergangenen Freitag veröffentlichte Apfel eine Erklärung, in der er seinen Rücktritt mit „zunehmend ehrverletzenden Verleumdungen“ begründete. Diese seien „zwar haltlos, aber mir ist bewusst, dass ich den damit verbundenen Makel nicht losbekommen werde“. Laut Medienberichten soll es sich bei einem der angeblichen Opfer Apfels um ein Mitglied der Leipziger „Freien Kräfte“ handeln, jenem Schattenbereich der Gesellschaft also, aus dem sich rechtsextreme Gewalttäter rekrutieren. Der angebliche Übergriff, der allein von dem Kameradschafter bezeugt wird, soll während des Bundestagswahlkampfes in Leipzig stattgefunden haben. Apfel ist seit seinem Rücktritt nicht mehr für eine Stellungnahme erreichbar.

          Innerhalb der NPD wurden wechselnde Begründungen genannt, weshalb Apfel als NPD-Politiker nicht mehr tragbar sei. Der Sprecher der sächsischen NPD-Fraktion, Thorsten Thomsen, betonte, man sei – entgegen allen bisherigen Äußerungen der Partei – nicht schwulenfeindlich, sondern einzig über die strafrechtliche Komponente des angeblichen Übergriffs empört. Aus dem NPD-Präsidium hieß es, Apfel habe sich durch seine angeblichen Vergehen „erpressbar“ gemacht, weshalb ihm der Parteiaustritt nahegelegt wurde. Doch entgegen den Beteuerungen ranghoher NPD-Funktionäre, man sei allein mit der Aufklärung schwerwiegender Vorwürfe beschäftigt, legt schon der Verlauf der Affäre eine Intrige nahe. Keines der angeblichen Opfer hatte Strafanzeige erstattet.

          Den größten Nutzen aus Apfels Sturz zieht sein notorischer Gegenspieler, der frühere NPD-Vorsitzende Udo Voigt. Er hatte innerhalb der Partei seit Monaten gegen Apfels angeblich zu biedere Öffentlichkeitsarbeit agitiert. Bei der Sondersitzung des NPD-Präsidiums war Voigt anwesend, obwohl er kein Parteiamt hat. Apfel hingegen, der Voigt 2011 gestürzt hatte, wird diesem nicht mehr gefährlich werden. Er gab an Heiligabend seinen Parteiaustritt bekannt. Bis zur Landtagswahl im August kommenden Jahres bleibt Apfel noch Abgeordneter – allerdings ohne Fraktion.

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