Neonazi-Mordserie : „Wir sind zutiefst beschämt“
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Der Bundesrat gedenkt der Opfer Bild: dapd
Der Bundesrat hat der Opfer der Neonazi-Mordserie gedacht. Derweil ist die Debatte über ein Verbot der rechtsextreme NPD in vollem Gange. Eine Mehrheit der Bevölkerung ist dafür.
Nach dem Bundestag hat sich auch der Bundesrat „zutiefst beschämt“ und erschüttert über die beispiellose Neonazi-Mordserie in Deutschland gezeigt. Die Politiker sicherten zu, die Verbrechen mit mindestens zehn Todesopfern schnell aufzuklären und Konsequenzen aus Fehlern der Sicherheitsbehörden zu ziehen.
Die Politik streitet derweil weiterhin darüber, wie die Vorgänge parlamentarisch aufgearbeitet werden sollen und ob ein Verbot der NPD doch möglich ist. Für ein Verbot sprechen sich laut ZDF-Politbarometer 77 Prozent der Bürger aus.
In einer einstimmig gefassten Entschließung des Bundesrates vom Freitag zur Neonazi-Mordserie heißt es: „Wir sind zutiefst beschämt, dass nach den ungeheuren Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes rechtsextremistische Ideologie in unserem Land eine blutige Spur unvorstellbarer Mordtaten hervorbringt.“ Der Bundesrat forderte die Regierung auf, mit den Ländern zu prüfen, ob sich aus den Ermittlungsergebnissen Konsequenzen für ein Verbot der rechtsextremen NPD ergeben. Ein erstes Verbotsverfahren war 2003 gescheitert, weil V-Leute des Verfassungsschutzes in NPD-Führungsstrukturen saßen.
Nach dem neuen ZDF-Politbarometer sind 19 Prozent der Bürger gegen ein NPD-Verbot. Ein ähnlicher Trend ergab sich bei einer Umfrage im Auftrag des ARD-„Morgenmagazins“: Demnach sind 52 Prozent der Deutschen für ein NPD-Verbot. 42 Prozent reicht es aus, bestehende Gesetze schärfer anzuwenden.
Seehofer: Rassismus hat hier keinen Millimeter Platz
Bundesratspräsident Horst Seehofer (CSU) sagte, die Verbrechen der Neonazis machten fassungslos. „Wir bedauern zutiefst, dass diese Taten nicht verhindert werden konnten und Opfer und Angehörige unberechtigten Verdächtigungen ausgesetzt waren.“ Alle seien gefordert, schon im Ansatz zu verhindern, dass sich Rechtsextremismus in der Gesellschaft ausbreiten könne. „Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus haben in diesem Land keinen Millimeter Platz“, sagte Seehofer, der auch bayerischer Ministerpräsident ist.
Ein weiterer mutmaßlicher Helfer der Neonazi-Terroristen sitzt seit Donnerstag in Untersuchungshaft. Die Bundesanwaltschaft wirft Andre E. aus Sachsen unter anderem vor, ein Propagandavideo für die Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) produziert zu haben. Der 32 Jahre alte Verdächtige ist neben der Hauptverdächtigen Beate Z. und dem mutmaßlichen Helfer Holger G. aus dem Raum Hannover der dritte Neonazi, der nach der Mordserie festgenommen wurde.
Friedrich will Vertrauen zurückgewinnen
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) bekräftigte am Donnerstagabend in der ZDF-Sendung „Maybrit Illner“, Pannen und Fehler bei den Ermittlungen zur Neonazi-Mordserie aufzuklären - auch um Vertrauen bei den Bürgern zurückzugewinnen. „Ich möchte, dass Menschen mit Migrationshintergrund ... keine Angst haben“, fügte er hinzu. Wichtig sei zudem, Konsequenzen zu ziehen. Dazu gehöre, Sicherheitsstrukturen neu zu ordnen und etwa den Informationsfluss zwischen Polizei und Verfassungsschutz zu verbessern.
Die Politik ist uneins darüber, ob die Neonazi-Mordserie mit einem Untersuchungsausschuss des Bundestages, einem Sonderermittler oder einer Bund-Länder-Kommission parlamentarisch aufgearbeitet werden soll. Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), sagte der Zeitung „Financial Times Deutschland“: „Ich rate dringend dazu, erst einmal die Ermittlungsergebnisse abzuwarten. (...) Ein Untersuchungsausschuss des Bundestags macht nur Sinn, wenn es Fehler im Verantwortungsbereich des Bundes gegeben hat.“
Am Samstag soll mit Schweigeminuten in elf deutschen Städten der Opfer rechtsextremer Gewalt gedacht werden. Organisator des „Silentmobs“ unter dem Motto „Schweigen gegen das Schweigen“ ist der Berliner Verein „Typisch Deutsch“. Rosen mit den Namen der zehn bisher bekannten Opfer der Neonazi-Mordserie sollen hochgehalten und dann niedergelegt werden - unter anderem am Brandenburger Tor in Berlin sowie in Essen, Görlitz (Sachsen), Hamburg und Nürnberg.