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Nahost : Nach dem Schalit-Effekt

Nach der Feier die Ernüchterung: Die Euphorie nach dem Gefangenenaustausch ist deutlich zurückgegangen.

Nach der Feier die Ernüchterung: Die Euphorie nach dem Gefangenenaustausch ist deutlich zurückgegangen. Bild: dpa

Nach dem Gefangenenaustausch mit Israel will die Hamas beim Versöhnungstreffen mit der Fatah die politischen Früchte ernten. Die Islamisten sehen sich als Sieger. Bei den Bewohnern des Gazastreifens ist die Freude verpufft.

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          Munter plätschert der Springbrunnen im Innenhof des Neubaus. Auf der Terrasse wiegen sich die Palmen neben dem Pool in der Brise, die vom Meer heraufweht. Im einzigen Fünf-Sterne-Hotel von Gaza-Stadt ist wieder Ruhe eingekehrt. Einen Monat lang herrschte reger Betrieb in dem erst im Frühjahr eröffneten Haus an der Uferstraße.

          Hans-Christian Rößler
          Politischer Korrespondent für die Iberische Halbinsel und den Maghreb mit Sitz in Madrid.

          Bärtige Männer belagerten das Frühstücksbuffet und abends nippten sie an der Bar an ihren Fruchtcocktails oder einem Glas Minztee. In dem von einer spanischen Kette betriebenen Luxushotel „Al Mashtal“ hatte die Hamas viele der Häftlinge einquartiert, die Mitte Oktober im Austausch für den israelischen Soldaten Schalit freigekommen waren.

          „Am Anfang war der Umzug aus dem Gefängnis wie ein Schock. Ich wusste nicht, was eine Schlüsselkarte ist und wie man die Dusche anbekommt“, erinnert sich Abdelrauf al Schalabi. Der 41Jahre alte Palästinenser aus Dschenin verbüßte seit 1995 in Israel eine lebenslange Haftstrafe, weil er einen Siedler ermordet hatte. Jetzt ist der Mann mit dem schwarzen Bart und den kurz geschorenen Haaren dabei, in seine neue Wohnung umzuziehen. Er hat es eilig, denn er will bald heiraten.

          „Es ist unglaublich, was Hamas alles für uns tut“

          Mehr als 300 der insgesamt 477 Palästinenser, die Israel aus den Gefängnissen ließ, durften nicht in ihre Heimatorte im Westjordanland zurückkehren, sondern müssen in Gaza bleiben. Dort lassen es die herrschenden Islamisten ihnen an nichts mangeln: Zehntausend Dollar Starthilfe, eine eigene Wohnung und Unterstützung bei der Familiengründung; dazu spendierte eine Mobilfunkgesellschaft noch ein Handy mit einem üppigen Guthaben.

          „Es ist unglaublich, was die Hamas alles für uns tut“, schwärmt Schalabi. Und mitten im nasskalten November ist in Gaza auf einmal Hochzeitssaison. Die ehemaligen Häftlinge, von denen viele kaum noch glaubten, jemals wieder in Freiheit zu kommen, wollen keine Zeit mehr verlieren.

          Eine Unterstützerin der Hamas hält ein Plakat mit einem von der Fatah gefangen gehaltenen Verwandten.
          Eine Unterstützerin der Hamas hält ein Plakat mit einem von der Fatah gefangen gehaltenen Verwandten. : Bild: AFP

          Abdulrahman Ismael Ghnimat hat seine künftige Ehefrau während der Pilgerfahrt nach Mekka, von der er gerade zurückgekehrt ist, zum ersten Mal gesehen. Die saudische Regierung hatte die früheren Gefangenen dazu eingeladen. Seine Schwester hatte die Braut ausgesucht und die Familie arrangierte die Ehe, bevor der 39 Jahre alte Krankenpfleger aus Hebron die Studentin dann treffen durfte.

          Zu fünf Mal lebenslanger Haft und weiteren zwanzig Jahren hatte ein israelisches Gericht Ghnimat verurteilt. Er gehörte einer Zelle des bewaffneten Arms der Hamas an, die elf israelische Soldaten getötet hatte. „Ich habe das im Gefängnis keine Sekunde lang bedauert. Jeder Palästinenser sollte sich an dem Kampf beteiligen wie wir“, sagt der Mann in der neuen Lederjacke.

          Gefangenenaustausch: „Großer Erfolg für Hamas“

          Tagelang ließ die Hamas in Gaza im Oktober die Rückkehrer wie Helden feiern. An diesem Donnerstag will sie in Kairo die politischen Früchte des Gefangenenaustausches ernten. In der ägyptischen Hauptstadt trifft sich Hamas-Politbürochef Khaled Meschaal mit dem palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas.

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