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Regierungskrise in Israel : Eine bittere Woche für Naftali Bennett

Naftali Bennett am 15. Mai in Jerusalem Bild: AP

Die Acht-Parteien-Regierungskoalition in Israel wankt ihrem möglichen Ende entgegen. Benjamin Netanjahu plant schon den nächsten Wahlkampf – aber womöglich ist das verfrüht.

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          Die vergangenen eineinhalb Wochen dürften aus der Sicht Naftali Bennetts zu den unerfreulichsten Tagen zählen, seit er vor bald einem Jahr sein Amt als israelischer Ministerpräsident angetreten hat. Es begann mit der Tötung der Journalistin Shireen Abu Akleh. Bennett verbreitete selbst früh das Narrativ, welches die israelische Armee ersonnen hatte: dass die palästinensisch-amerikanische Al-Jazeera-Korrespondentin „wahrscheinlich“ von der Kugel eines bewaffneten Palästinensers getroffen worden sei, während sie über eine israelische Militäraktion in Dschenin berichtete.

          Christian Meier
          Politischer Korrespondent für den Nahen Osten und Nordostafrika.

          Inzwischen scheint es weitaus wahrscheinlicher, dass der Schuss, der die 51 Jahre alte, mit Schutzweste und Helm bekleidete Abu Akleh in den Kopf traf, von einem israelischen Soldaten abgefeuert worden ist. Die Armee hat jetzt sogar die mögliche Tatwaffe identifiziert.

          Es gibt immer wieder zivile Todesopfer in den von Israel besetzten palästinensischen Gebieten, und praktisch nie hat das ernsthafte Folgen für die beteiligten Soldaten. Der Tod Abu Aklehs, einer der bekanntesten Journalistinnen der arabischen Welt, löste jedoch eine Welle der Empörung aus. Diese steigerte sich noch, als zwei Tage später Videos um die Welt gingen, die zeigten, wie israelische Polizisten in Jerusalem auf Teilnehmer des Trauerzugs einprügelten. Selbst der amerikanische Präsident Joe Biden äußerte sich. In israelischen Medien wurde breit erörtert, wie es zu diesem PR-Debakel aus israelischer Sicht kommen konnte. Den nahe liegenden Schluss, dass die Besatzung an sich das Problem sein könnte, zogen wenige, stattdessen lamentierten einzelne Journalisten über die angeblich unfaire Behandlung Israels durch die Weltöffentlichkeit.

          Netanjahu ist weiter der beliebteste Politiker im Land

          Das beherrschende Thema im Land ist jedoch die anhaltende Regierungskrise. Es knirscht immer vernehmlicher im Gebälk des Koalitionsgebäudes, das Bennett und Yair Lapid, der Außenminister und „alternierende Ministerpräsident“, vor einem Jahr gezimmert haben. Das liegt daran, dass das Haus von Anfang an schief gebaut und schlecht isoliert war: Die Bauherren, acht Parteien von ganz links bis weit rechts, hatten sich nur mit dem Ziel zusammengefunden, eine weitere Regierungszeit Benjamin Netanjahus zu verhindern. Ideologisch sind manche von ihnen einander spinnefeind, und das macht sich mit der Zeit immer deutlicher bemerkbar.

          Bennett selbst gehört der Rechten an, auch seine Partei heißt so: Jamina – „Nach rechts“. Früher sprach er vor allem für die Siedler. Seit seiner Wahl zum Ministerpräsidenten bemüht der 50-Jährige sich jedoch darum, staatsmännisch und ausgleichend aufzutreten und so ein anderes Bild von Israel zu vermitteln, als es unter dem zunehmend irrlichternden und von Korruptionsanklagen belasteten Netanjahu der Fall war. Vor allem mit Blick auf Israels auswärtige Beziehungen gelingt ihm und Lapid das gar nicht schlecht, ungeachtet des Hin und Her Israels angesichts des Kriegs in der Ukraine.

          Dennoch ist „Bibi“ Netanjahu weiterhin der beliebteste Politiker im Land, sein Likud würde bei einer Wahl mit Abstand die meisten Mandate erringen. Bennett dagegen, dessen Partei bei der Wahl vor einem Jahr gerade einmal 6,2 Prozent der Wählerstimmen erreichte, kann nicht einmal sicher sein, dass er wieder in die Knesset einziehen würde. Ein Großteil seiner Wählerschaft ist Umfragen zufolge tief enttäuscht davon, dass der stramm rechte Politiker mit linken Parteien eine Koalition gebildet hat (was er zuvor abgelehnt hatte). Neben Kritik und Schmähungen hat es inzwischen sogar Todesdrohungen gegen Bennett und seine Familie gegeben.

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