
Nach den Wahlen : Die Einsamkeit der Zuchtmeisterin
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Für die Bundeskanzlerin wird es schwerer, ihren europapolitischen Kurs zu halten. Aus Frankreich und Griechenland bläst Gegenwind, in Deutschland erodiert ihre Machtbasis.
Joachim Gauck hatte nach seiner Wahl zum Bundespräsidenten noch von einem schönen Sonntag sprechen können. Die Bundeskanzlerin kann das vom vergangenen Wahlsonntag nicht sagen. In ihrem Vokabular müsste man ihn „nicht hilfreich“ nennen. Denn Frau Merkel hat nicht nur den eigenwilligen, aber kongenialen Partner in Paris verloren, den sie als Widerlager für ihre Europapolitik brauchte.
Franzosen und Griechen gaben der Kanzlerin auch deutlich zu verstehen, dass sie mit der Konsolidierungspolitik nicht einverstanden sind, die Frau Merkel entworfen und durchgesetzt hat. In Frankreich wie in Griechenland wurde nicht nur über Personen und Parteien abgestimmt, sondern auch über den künftigen Kurs Europas. Endlich eine europäische Öffentlichkeit? Viel unangenehmer hätte deren Meinungsäußerung für die Bundeskanzlerin nicht ausfallen können.
Die Krise wartet nicht
Ob es einsam um die Zuchtmeisterin Europas wird, hängt vor allem davon ab, wie schnell der Wahlkämpfer Hollande im Amt des Präsidenten und in der Wirklichkeit Europas ankommt. Berlin und Paris müssen rasch zu einem neuen Zusammenspiel finden, die Krise wartet nicht. Der Ausgang der Griechenland-Wahl stellt eine neue Zuspitzung dar: Was tun die Retter, wenn die zu Rettenden nicht gerettet werden wollen, jedenfalls nicht in der auch von ihrer bisherigen Regierung für „alternativlos“ erklärten Weise? Doch nicht nur in Athen, fast überall in Europa regt sich Widerspruch gegen die Zumutungen der Krisenbewältigungspolitik. Geber und Empfänger der milliardenschweren Hilfe sind sich eigentlich nur in einem einig: dass von ihnen jeweils zu viel verlangt werde.
Diese Überzeugung zieht sich bis in die deutsche Innenpolitik hinein, obschon sie hierzulande noch nicht zu einer Partei geronnen ist. Die Kanzlerin genießt hohes Ansehen im Volk, nicht zuletzt wegen ihrer vergleichsweise harten Hand in der Schuldenkrise. Doch ihre Machtbasis erodiert in Gestalt der FDP. Die kämpft auch trotz des Erfolgs von Kiel weiter um ihr Überleben – und die Union mit der Frage, mit wem sie in von Piraten heimgesuchten Gewässern nach der Bundestagswahl regieren soll. Die Blicke der Koalitionspartner richten sich dabei kaum noch aufeinander, sondern immer öfter auf die SPD. Die wird nun versucht sein, einen neuen Satz in ihr Repertoire aufzunehmen: Von den französischen Sozialisten lernen heißt siegen lernen.