Morgeninterview : Sicherheits-Expertin: „IT-Angriff kann Stadt lahm legen“
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Per Hackerangriff Züge entgleisen lassen und ganzen Städten den Strom abdrehen: Die Szenarien des Cyberterrors sind vielfältig. Je mehr die Vernetzung fortschreitet, desto größer sind die Möglichkeiten, Angriffe über das Netz zu starten, warnt Renate Buss, im Verteidigungsministerium zuständige Expertin für IT-Sicherheit. Auch die Bundeswehr sei schon Ziel von IT-Angriffen geworden.
Kürzlich kam es zu einem massiven Angriff auf die zentralen Server des Internet. Dabei wurde die Funktionsweise von neun von 13 Root Servern erheblich eingeschränkt. Der Nutzer merkte davon jedoch nichts. Sind die Warnungen vor Cyberterror nur ein Medienhype?
Ich glaube nicht, dass man Entwarnung geben kann. Es hat ja schon andere Angriffe gegeben, bei denen die Netze über längere Zeit ausgefallen sind. Auch in unseren Ressorts wurden Netze bereits lahm gelegt. Der Schaden dabei ist recht beachtlich.
Die Angriffsmöglichkeiten auf IT-Netze werden in den Medien oft blumig beschrieben: Züge entgleisen, der Verkehr bricht zusammen, Gasleitungen explodieren. Es gab auch schon Übungen, die ein solches Szenario simuliert haben. Halten Sie solche Folgen eines IT-Angriffs für realistisch?
Ich sehe die Möglichkeit schon, dass eine Stadt durch einen IT-Angriff lahm gelegt werden könnte. Manche Medien machen die Risiken sicherlich sehr plastisch, aber man sollte sie nicht unterbewerten. Je mehr die Vernetzung fortschreitet, zum Beispiel über das Internet, desto größer sind auch die Möglichkeiten, Angriffe zu fahren. Das Sicherheitsbewusstsein ist bei vielen nicht besonders ausgeprägt, bei Privatnutzern, aber auch im Mittelstand.
Inzwischen wird spekuliert, Terrororganisationen wie Al Qaida bevorzugten eher spektakuläre Attentate, um in die Fernsehnachrichten zu kommen, als IT-Angriffe. Hat sich Ihre generelle Einschätzung der IT-Sicherheitslage durch den 11. September verändert?
Wir haben uns zwar danach Gedanken gemacht, ob das auf die IT-Sicherheit der Bundeswehr Auswirkungen haben könnte, sind aber zu dem Ergebnis gekommen, dass es keinen Einfluss hat. Wir haben unsere Policy nach dem 11. September nicht verändert, denn sie zielt darauf ab, generell zu verhindern, dass sich jemand Zugang zu unseren Netzen verschafft. Dagegen haben die Auslandseinsätze der Bundeswehr das IT-Sicherheitsbewusstsein verändert. Die Bundeswehr war ja in der Vergangenheit, salopp gesagt, eine Manöverarmee. Die Situation ist jetzt eine andere. Die Bundeswehr ist im Einsatz und das Leben von Soldaten ist bedroht. Wenn zum Beispiel in Afghanistan ein Kryptogerät ausfällt und Informationen an die Gegenseite gelangen, dann kann das zu schweren Folgen führen. Indirekt hat das also mit dem 11. September zu tun, aber nicht direkt. Was die Bedrohung durch Al Qaida angeht, so ist meine persönliche Meinung, dass es deren Ziel ist, möglichst viele Menschen umzubringen und die Staaten in ihrem Nerv zu treffen. Von daher glaube ich nicht, dass die Al Qaida einen Cyberangriff gegen die Bundeswehr fahren will. Die Gefahr sehe ich eher in den Auslandseinsätzen. Wenn es möglich wäre, die Kühlanlage eines Atomkraftwerks durch einen Cyberangriff auszuschalten, dann wäre das sicher anders, aber das dürfte nicht so einfach sein.
Die Amerikaner haben Informationsoperationen ja schon durchgeführt, zum Beispiel im Kosovo-Krieg
Vorsicht, da muss man unterscheiden, was man macht. Zu den aktiven Informationsoperationen gehört auch, was man früher psychologische Kriegsführung genannt hat, das heißt der Versuch einer Beeinflussung der Bevölkerung und der Streitkräfte. Das ist die eine Komponente. Damit haben wir überhaupt nichts zu tun. Die andere ist, einen Angriff gegen ein IT-Netz zu fahren, zum Beispiel Webseiten zu manipulieren. Ob die Amerikaner das machen, weiß ich nicht. Ich gehe mal davon aus. Wir machen das nicht. Ich weiß aber, dass es im Kosovo auch Angriffe auf unsere Webseiten gegeben hat. Damit kommen Sie aber noch nicht in die Netze herein. Eine weitere Möglichkeit wäre, in Netze einzudringen, um Informationen zu manipulieren und zu zerstören. Das wird zurzeit nicht gemacht und zwar einfach deswegen, weil sie nicht in der Lage sind, das zu steuern. Wenn Sie einen Virus einsetzen, haben Sie keinen Einfluss darauf, wohin er sich überall verteilt. Wenn Sie zivile Netze mit denen der Streitkräfte verbunden haben, kommen Sie in zivile Netze herein und das ist ein Verstoß gegen das Völkerrecht. Das ist rechtlich sehr problematisch und daher fahren die Amerikaner das auf ganz kleiner Flamme.
Es war aber zu lesen, dass serbische Computersysteme der Luftaufklärung und der Abwehrgeschütze manipuliert wurden, so dass sie nicht funktioniert haben
Solche Angriffe können Sie aber auch mit anderen Mitteln machen, zum Beispiel durch elektronische Kampfführung. Insofern weiß ich nicht, was da gelaufen ist. Ich bezweifle, dass Viren eingesetzt wurden.