Regionalkonferenz in Thüringen : Merz stellt individuelles Recht auf Asyl in Frage
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Hat nichts zu verschenken: Friedrich Merz. Bild: Frank Röth
Es ist spaßig, es wird debattiert – und doch interessiert die CDU-Mitglieder in Thüringen vor allem ein Thema: die Migrationsfrage. Bei der lässt sich ein Kandidat zu einer überraschenden Aussage verleiten.
Am dritten Abend dreht sich die Kandidatenshow der CDU nicht mehr bloß um den Binnen-Wahlkampf des vakanten Parteivorsitzes, stattdessen sind die drei Bewerber einem richtigen Wahlkampf näher gerückt. Im thüringischen Seebach, zwischen Gotha und Eisenach gelegen, sind die Termine der ostdeutschen Landtagswahlen im nächsten Jahr – in Thüringen, Sachsen und Brandenburg – schon ganz präsent. Das schlägt sich in den Auftritten der drei Bewerber Annegret Kramp-Karrenbauer, Friedrich Merz und Jens Spahn nieder, aber auch in den Fragen des Publikums. Bildung wird so zum ersten aufgerufenen Thema des Abends, die Asylpolitik und der UN-Migrationspakt aber finden das brennendste Interesse. Der Druck, den die AfD mit ihrer Unterstellungskampagne gegen die UN-Vereinbarung für Migrationsstandards besonders im Osten Deutschlands erzeugt hat, ist bis in den Saal des Seebacher Klubhauses spürbar, mithin bis mitten in die CDU hinein.

Politischer Korrespondent in Berlin.
Die allgemeinen Mutmachungs-Appelle der drei Vorsitz-Kandidaten werden von den rund 500 Anwesenden dankbar aufgenommen: Merz verspricht neuerlich, die CDU zurück zu Wahlergebnissen von „bis zu 40 Prozent“ zu führen, Spahn freut sich schon, dass Mike Mohring, der thüringische CDU-Vorsitzende, „der nächste Ministerpräsident von Thüringen wird“, Kramp-Karrenbauer versucht Erinnerungen zu beleben an den gerade erst vergangenen Landtagswahlkampf in Hessen („ich sehe hier viele bekannte Gesichter“) und empfiehlt sich dem Saal mit dem Hinweis, sie wisse ja aus dem Saarland, wie man einen zunächst aussichtslos scheinenden Wahlkampf doch noch gewinnen könne.
Ein paar markige Wendungen
Alle drei haben sich schon anfangs ein paar markige Wendungen zurechtgelegt, um die vermeintliche Stimmung im Saal gegenüber Asyl- und Ausländerfragen einzufangen und auf sich zu lenken. Merz stellt fest, auch die Zugewanderten hätten sich „ohne Wenn und Aber an die Regeln zu halten“, und erntet Bravo-Rufe. Spahn sagt im Blick auf arrangierte Heiraten muslimischer Minderjähriger, „Fünfzehnjährige gehören in die Schule, und nicht vor den Traualtar“ – und bekommt auch dafür viel Beifall, obwohl seine Metapher eine gewisse christliche Fehlwahrnehmung enthält. Kramp-Karrenbauer hingegen lässt das Thema in der Anfangsrunde aus, muss dann aber, wie die anderen auch, in der Fragerunde doch ausführlich darauf eingehen.
Sie nimmt das jüngste aufsehenerregende Verbrechen als Anlass, die Gruppenvergewaltigung einer jungen Frau in Freiburg, bei der mehrere syrische Flüchtlinge als Tatverdächtige gelten: Nichts verletze das Sicherheitsgefühl so sehr wie ein derartiger Vorfall, wenn Schutzbedürftige hier ihr Obdach missbrauchten, um derartige Gewaltverbrechen zu begehen. Es müsse sichergestellt werden, dass solche Täter nach Verbüßung ihrer Strafe Deutschland verlassen müssten und nie wieder nach Europa zurückkehren könnten.
Jens Spahn widmet sich an diesem Abend vor allem dem europäischen Grenzschutz: Wenn die Außengrenzen der EU wirksam gesichert werden sollten, brauche die Frontex-Truppe nicht nur 10.000 Beamte, sondern die fünf- bis zehnfache Zahl, auch die Kompetenzen müssten vergrößert werden. Noch weiter wagt sich Friedrich Merz hervor, der das aus Artikel 16a des Grundgesetzes stammende individuelle Recht auf Asyl in Deutschland in Frage stellt: Seine Argumentation lautet, wenn es eine europäische Harmonisierung des Asylrechts und Flüchtlingsschutzes gebe, dann könne Deutschland nicht das einzige Land sein, dass mit dem individuellen Anspruch auf Asyl einen höheren Standard beibehalte. Merz erreichte, auch aufgrund solcher Forderungen, den heftigsten Beifall des Publikums, Kramp-Karrenbauer bekam den freundlichsten Applaus, Spahn den dankbarsten, weil ihm die meisten Scherze einfielen.
Korrektur
In einer vorherigen Version des Artikels hieß es irrtümlich, das Grundrecht auf Asyl ergebe sich aus Artikel 16 des Grundgesetzes. Richtig muss es Artikel 16a heißen. Wir bitten um Entschuldigung und haben dies im Text korrigiert. (mben)