Merkel und die Flüchtlinge : Die härteste Prüfung
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Angela Merkel am Donnerstag im Bundestag Bild: Reuters
Angela Merkel versucht, ihre Partei, die CSU und das auf die Barrikaden kletternde Volk davon zu überzeugen, dass ihr Plan alternativlos sei. Doch wird man ihr das noch glauben, da ihre bisherige Politik als Mischung von Gutmenschentum und pragmatischem Fatalismus angesehen wurde?
Dieser Einschätzung der Kanzlerin kann kaum jemand widersprechen: Der Zusammenhalt der EU werde auch sechs Jahrzehnte nach Beginn der europäischen Einigung immer noch auf harte Proben gestellt, „manchmal sogar auf eine sehr harte“. Die Flüchtlingskrise ist eine noch schwerere Prüfung als das Griechenland-Drama. Die Migrantenströme, die durch Europa ziehen, führen in und zwischen vielen Mitgliedstaaten der EU zu Verwerfungen. Deutschland steht im Mittelpunkt des Geschehens. Doch anders als in der Schuldenkrise folgen viele Nachbarn dem Kurs und den Überzeugungen der Regierung Merkel nicht mehr. Das gilt auch für den wachsenden Kreis der Deutschen, der aus seinem Unmut über Merkels Politik kein Geheimnis mehr macht. Mitunter nimmt er schon radikale Formen an. Die vormals weit über das bürgerliche Lager hinaus gelobte Kanzlerin hat inzwischen Mühe, ihre eigene Partei an ihrer Seite zu halten.
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Das verabschiedete Gesetzespaket, mit dem der Flüchtlingszustrom besser bewältigt werden soll, wird den Druck allenfalls vorübergehend mindern, unter dem die Kanzlerin und ihre ganze Koalition stehen, auch die mäandrierende SPD. Zwar senden diese Maßnahmen auch das lang erwartete Signal aus, dass die Regierung nicht in Willkommenskulturseligkeit versinkt, sondern versucht, die Kontrolle über die deutschen Grenzen und Verhältnisse zurückzugewinnen. Es war dringend nötig. Merkels Äußerungen zu ihren begrenzten Handlungsmöglichkeiten waren im In- und Ausland als eine Mischung von Gutmenschentum und pragmatischem Fatalismus gedeutet worden, die noch mehr Migranten anzieht. Zu einer noch klareren Gegengeste, wie sie Seehofer von ihr fordert, war und ist die Kanzlerin aber nicht bereit. Deklaratorische Politik ist, selbst wenn sie es wollte, ihre Sache nicht. Sie sucht ihre Partei, die CSU und das langsam auf die Barrikaden kletternde Volk weiter auf ihre ultrarationale Art davon zu überzeugen, dass „Scheinlösungen“ nichts brächten und ihr Mehrstufenplan alternativlos sei.
Doch wird man ihr das glauben, da nicht mit einer raschen Entspannung der Lage zu rechnen ist? Und werden alle den „langen, vielleicht sogar sehr langen Atem“ haben, der ihrer eigenen Einschätzung nach nötig ist: die unzähligen freiwilligen und hauptberuflichen Helfer, die CDU, die CSU, die SPD, das Volk, Merkel selbst? Eine härtere Prüfung hat es auch für sie noch nicht gegeben.