: Merkel: Scheitert der Euro, dann scheitert Europa
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mas./sat. BERLIN, 19. Mai. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat mit dramatischen Worten an die Abgeordneten des Bundestags appelliert, dem Euro-Rettungsgesetz Ende der Woche zuzustimmen. "Scheitert der Euro, dann scheitert Europa", sagte sie in ihrer Regierungserklärung am Mittwoch.
mas./sat. BERLIN, 19. Mai. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat mit dramatischen Worten an die Abgeordneten des Bundestags appelliert, dem Euro-Rettungsgesetz Ende der Woche zuzustimmen. "Scheitert der Euro, dann scheitert Europa", sagte sie in ihrer Regierungserklärung am Mittwoch. Der Euro sei in Gefahr. Wenn man diese nicht bewältige, seien die Folgen unabsehbar. Eine Ahnung, was geschehen könne, hätten hysterisch anmutende Turbulenzen an den Märkten gezeigt. Wie schon bei dem vor zwei Wochen beschlossenen Rettungspaket für Griechenland nannte Frau Merkel das Vorgehen alternativlos. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Steinmeier ließ offen, ob seine Fraktion dem Gesetz zustimmen wird. Der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Trittin, sprach von einer Brüskierung des Bundestages. Er solle über Kreditermächtigungen von knapp 148 Milliarden Euro entscheiden, ohne die notwendigen Details zu kennen. Der Vorsitzende der Linkspartei Ernst warnte davor, die deutschen Hilfen durch Kürzung der Sozialhaushalte zu finanzieren. Derweil hat das überraschende Verbot von ungedeckten Leerverkäufen durch die Finanzaufsicht Bafin in Deutschland am Mittwoch zu Verunsicherung an den Finanzmärkten geführt.
Die Bundeskanzlerin verteidigte die Beschlüsse der Regierung. Man habe den Weg in eine Transferunion verhindert. Die Hilfen seien an harte Eigenanstrengungen gekoppelt. Deutschland habe nur unter der Bedingung zugestimmt, dass man in jedem Fall über den Einsatz mitentscheiden werde. Um künftige Schuldenkrisen zu verhindern, sei eine umfassende Reform des Stabilitätspakts notwendig. Notfalls müssten zur Strafe EU-Fördermittel entzogen und befristet das Stimmrecht verwehrt werden. Als letzte Möglichkeit müsse zudem eine "geordnete Insolvenz" von EU-Staaten ermöglicht werden.
Der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen sieht vor, dass Deutschland von einem Gesamtpaket von 750 Milliarden Euro Gewährleistungen bis zur Höhe von 123 Milliarden Euro übernehmen soll, um die Zahlungsfähigkeit von Euro-Ländern sicherzustellen. Mit Einwilligung des Haushaltsausschusses sollen sie um 20 Prozent überschritten werden können. Bundesbankpräsident Axel Weber mahnte in der Anhörung durch den Haushaltsausschuss dazu, die Gesetzgebung nicht zu verzögern und die Auszahlung der Mittel nicht an weitere Auflagen zu knüpfen. „Es gilt, den Bestand und die Stabilität der Währungsunion jetzt zu sichern“, hob er hervor. „Deswegen ist ein Beschluss in dieser Woche unabdingbar.“ Auch müsse deutlich werden, dass Deutschland bereit sei, einzuspringen - ohne Wenn und Aber. Dies dürfe nicht durch Vorbehalte des Parlaments in Frage gestellt werden. Die Nervosität an den Märkten sei nicht beseitigt.
Der Präsident der Finanzaufsicht Bafin, Sanio, urteilte in der Anhörung, wenn es den Beschluss zum Euro-Rettungsschirm nicht gegeben hätte, dann hätte er am Montag nicht aufwachen wollen. Gemessen an dem, was dann losgewesen wäre, sei der Sturm nach der Lehman-Pleite „nur ein laues Lüftchen“ gewesen. Bundesbankpräsident Weber wies darauf hin, dass sich die Entwicklung an den Märkten für Staatsanleihen von einigen Ländern der Währungsunion in der ersten Maiwoche „zunehmend und in diesem Ausmaß unerwartet“ zugespitzt hatte. Daher habe der erste „Damm“, das Rettungspaket für Griechenland, nicht gehalten. Vielmehr hätten gravierende Ansteckungseffekte für andere Euro-Mitgliedstaaten und darüber hinaus gedroht. In New York sei der Umsatz mit Staatsanleihen stark gesunken, auch der mit französischen Titeln. Allein der Handel mit Bundesanleihen sei ungestört geblieben. Alles in allem wertete er die an dem anschließenden Wochenende in Brüssel gefassten Beschlüsse als „vertretbar“.
Die SPD will ihre Zustimmung zu dem Gesetz davon abhängig machen, ob die Bundesregierung sich schriftlich dazu verpflichtet, sich auf europäischer und internationaler Ebene für eine Finanztransaktionssteuer einzusetzen. Der Fraktionsvorsitzende Steinmeier sagte in seiner Replik auf die Regierungserklärung der Kanzlerin, darüber dürften nicht nur Reden ausgetauscht werden, sondern „das muss dann in einen Text schwarz auf weiß“. Dies sei eine „Bringschuld“ der Regierung. Frau Merkel hatte noch am Dienstagabend in Berlin in einer Pressekonferenz mit dem österreichischen Bundeskanzler Faymann gesagt, die Bundesregierung habe sich dazu verpflichtet. Ihre Regierungserklärung wurde allerdings als weniger verbindlich verstanden. Als entscheidend für eine Zustimmung der SPD gilt weiterhin eine schriftliche und verbindliche Erklärung zur Finanztransaktionssteuer.
Die FDP-Fraktionsvorsitzende Homburger sagte, „es besteht keine Notwendigkeit, einen neuen Entschließungsantrag zu machen“. In der vorigen Sitzungswoche habe das Parlament mit den Stimmen von Union und FDP bereits einen Antrag mit Vorhaben verabschiedet, welche die europäische Währungsunion stabiler machen und künftigen Finanzkrisen vorbeugen sollen. In dem Antrag stünde alles Wesentliche, sagte sie. Auch die Union sah das so. Zuvor waren Gespräche der Fraktionsführungen von SPD und Union über einen Entschließungsantrag oder zumindest ein gemeinsames Papier zur Finanztransaktionssteuer zu keinem Ergebnis gekommen. Zwischenzeitlich war damit gerechnet worden, Steinmeier werde noch am Mittwoch das Gespräch mit Frau Merkel suchen. Dazu kam es nicht. Die SPD-Fraktion will an diesem Donnerstagmittag ihr Abstimmungsverhalten abstimmen. Bis dahin gibt es Zeit für Verhandlungen. Die SPD-Fraktionsführung dringt auch deshalb auf eine schriftliche Erklärung, um den eigenen Abgeordneten gegenüber etwas in der Hand zu haben. In der Abstimmung über das erste Hilfspaket für Griechenland hatte sich die SPD-Fraktion enthalten. Diesmal wird entweder mit Zustimmung oder Ablehnung gerechnet. (Weitere Berichte Seite 2, siehe Wirtschaft, Seiten 11 und 21.)